Überfüllte Wartezimmer, lange Schlangen von Eltern mit ihren kranken Kindern vor den Praxen – diese Bilder aus der vergangenen Herbst-Winter-Infektionswelle werden nach einer Prognose von Dr. Thomas Fischbach, dem Präsidenten des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, nicht ein einmaliger Ausreißer sein. Anlässlich des 52. Kinder- und Jugendärztetages warnte Fischbach vor einer wachsenden Überalterung seiner Fachgruppe und künftig zunehmenden Versorgungsengpässen.
Mit der Entbudgetierung der kinderärztlichen Vergütung ab April dieses Jahres sei zwar ein „Meilenstein für eine bessere Versorgungssicherheit“ gemacht worden, würdigte Fischbach die gesetzgeberische Entscheidung. Dies allein werde aber die bereits bestehende Unterversorgung der ambulanten und stationären Pädiatrie nicht beseitigen; vielmehr werde diese unter den gegebenen Ausbildungsbedingungen weiter zunehmen – mit der Folge, dass niedergelassene Pädiater neue Patienten ablehnen oder spezialisierte Krankenhäuser keine kranken Kinder mehr aufnehmen.
Aus diesem Grund erhebt der Verband drei Forderungen: die zügige Verabschiedung der neuen Approbationsordnung, was derzeit an den Ländern scheitert, den Ausbau der Studienkapazitäten von derzeit 11.000 auf 16.000 Studienplätze pro Jahrgang (das entspricht der Studienkapazität von 1990) und eine Aufstockung der Förderung ambulanter Weiterbildungsstellen.
Derzeit erhalten jährlich knapp 700 Pädiater eine Anerkennung als Facharzt. Das sei zwar ausreichend, kopfzahlmäßig die altersbedingt ausscheidenden Kinderärzte zu ersetzen. Der Nachwuchs erreiche aber bei weitem nicht die Arbeitskapazität der aktuell ausscheidenden Kollegen. Ursächlich dafür, so Fischbach, sei der hohe, inzwischen auf nahezu 80 Prozent gestiegene Frauenanteil beim pädiatrischen Nachwuchs, die ausgeprägte Präferenz, im Angestelltenverhältnis zu arbeiten und unter Berücksichtigung familiärer Belange keine Vollzeittätigkeit anzustreben.
Als einzigen mittelfristig wirksamen Ausweg sieht Fischbach, die Weiterbildungskapazitäten, insbesondere in den Praxen niedergelassener Pädiater, aufzustocken. Dazu fehlt allerdings – im Unterschied zur Allgemeinmedizin – eine systematische Refinanzierung der Gehälter von Ärzten in der kinderärztlichen Weiterbildung. Aktuelle würden lediglich 250 Stellen gefördert. Die Bereitschaft und die Fähigkeiten der erfahrenen Kollegen, sich in der Weiterbildung zu engagieren, seien vorhanden, so Fischbach. Notwendig sei eine ausreichend finanzierte und nach dem Vorbild der Allgemeinmedizin gut organisierte Verbundweiterbildung.
Engpässe sieht der Berufsverband zudem auf dem Arbeitsmarkt der Medizinischen Fachangestellten. Um Nachwuchs zu gewinnen, hat der Verband eine Imagekampagne auf Social-Media-Kanälen initiiert, die die Wertschätzung für die MFA und ihre tragende Rolle in der Versorgung thematisiert. Dies müsse allerdings auch in der Bezahlung zum Ausdruck kommen. Die gegenwärtigen Vergütungsregeln sehen vor, dass Kostensteigerungen, die derzeit inflationsbedingt beträchtlich sind, erst mit den Honorarvereinbarungen für das jeweils übernächste Jahr von den Krankenkassen refinanziert werden müssen.
Keine kurzfristige Entspannung erwartet Fischbach bei der prekären Versorgung mit Antibiotika und Kinderarzneimitteln, auch wenn ein entsprechendes Gesetz jetzt kurz vor der Verabschiedung steht. Aller Voraussicht nach seien gravierende Probleme bei den nächsten Infektionswellen im Herbst und Winter erneut zu erwarten. Lieferengpässe seien zudem nicht allein auf Deutschland beschränkt. Dies führe dazu, dass Ärzte Medikamente einsetzen müssten, die nicht den Leitlinien entsprechen. Eltern kranker Kinder müssten nicht selten eine Odyssee bei etlichen Apotheken machen, um verordnete Arzneimittel zu erhalten. Kinderärzte wiederum würden von Kassen mit Sanktionen und Regressforderungen konfrontiert, wenn die nicht die wirtschaftlich optimale Packungsgröße verordneten, etwa zweimal 50 Milliliter statt die billigere 100-Milliliter-Packung, kritisierte Fischbach.