Als ein "sehr gefährliches Signal und außerordentlich problematisch" hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am 08.02. in der wöchentlichen Pressekonferenz zur Corona-Lage die Ankündigung des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder kritisiert, die gesetzlich vorgeschriebene Impfpflicht für Mitarbeiter in Einrichtungen des Gesundheitswesens nicht umsetzen zu wollen.
"Die Impfpflicht ist keine Schikane für Pflegeberufe, sie dient dem Schutz von Patienten und Pflegebedürftigen", sagte Lauterbach und erinnerte an die hohe Zahl der in der ersten Corona-Welle 2020 an COVID-19 gestorbenen Bewohner von Pflegeheimen. Die Argumentation mancher Pflegekräfte, die gegenwärtig zur Verfügung stehenden Impfstoffe seien nicht sicher, sei eine für professionelle Pflegekräfte nicht vertretbare Auffassung, so der Gesundheitsminister unter Verweis auf die vorhandene Evidenz für Wirksamkeit und Sicherheit der Corona-Vakzine. Es sei nicht die richtige Priorität, dem Protest auf der Straße mehr Beachtung zu schenken als dem Schutz vulnerabler Gruppen.
Nach der Gesetzeslage sind eindeutig die Länder für die Durchsetzung der Impfpflicht zuständig. Danach müssen Arbeitgeber den Impfstatus an die jeweiligen Gesundheitsämter melden. Diese müssen entscheiden, ob sie gegen Nichtgeimpfte ein Betretungs- oder Beschäftigungsverbot anordnen. Zeitliche Vorgaben dafür gibt es nicht. Der Bund könne dabei Unterstützung leisten, so Lauterbach, diese sei aber bisher von den Ländern nicht angefordert worden.
Die Impfpflicht – auch eine generelle Impfpflicht, für die Lauterbach in den nächsten Tagen erste Gesetzentwürfe aus dem Bundestag erwartet – sei deshalb von Bedeutung, weil die Pandemie mit der Omikronwelle nicht beendet sei. Vielmehr seien weitere Varianten, möglicherweise wesentlich gefährlicher als Omikron, wahrscheinlich.
Vorsichtig optimistisch äußerte sich RKI-Präsident Lothar Wieler, noch aber sei der Höhepunkt nicht erreicht. Den aktuellen R-Wert gibt das RKI mit 0,99 an. Die Hospitalisierungsrate steigt, bei den über 60-Jährigen auf 10,25 nach 8/100.000 in der Vorwoche. Leicht gestiegen ist auch die Zahl der COVID-19-Patienten auf Intensivstationen (2.375 nach 2.307 in der Vorwoche). Noch sei nicht abzuschätzen, wie sich die Zahl infizierter älterer Menschen weiter entwickle, so Wieler. Große Sorge bereite deshalb die hohe Zahl nicht geimpfter älterer Menschen.
Die jüngste Werbekampagne der Bundesregierung für die Impfung zeigt noch keine Wirkung. Lediglich bei Auffrischimpfungen (Booster) sind gewisse Fortschritte sichtbar: Nach RKI-Daten wurden am Vortag 102.194 Booster-Impfungen gemeldet. Dagegen wurden lediglich 11.671 Erst- und 34.757 Zweitimpfungen registriert. Das heißt, dass sich der Anteil der Bevölkerung mit einer Impfung (76 Prozent) und mit zwei Impfungen (74,5 Prozent) fast nicht verändert. Der Anteil der Geboosterten liegt bei 54,5 Prozent.
Der Direktor des European Bioinformatics Institute in Cambridge (UK), Rolf Apweiler, mahnte dringend eine weltweite Impfkampagne an. Inzwischen seien rund 1.000 Varianten des Corona-Virus genomanalytisch detektiert und zwölf davon als gefährlich identifiziert worden. Das Ausmaß der Varianten-Entwicklung sei in hohem Maße von der Zahl der Ungeimpften abhängig. Angesichts dessen sei ein weltweites Monitoring der Variantenentwicklung notwendig. Denn auch in Zukunft müsse mit Mutationen gerechnet werden, die in der Lage seien, bestehende Immunität sowohl durch Impfungen wie auch durch Vorerkrankungen ganz oder teilweise zu umgehen.