Die Kultusministerkonferenz der Länder, der Verband der Uniklinika und der Medizinische Fakultätentag haben ein sechs Punkte umfassendes Positionspapier verabschiedet. Es adressiert die Defizite in der Digitalisierung, strukturelle Mängel, die zu Über-, Unter- und Fehlversorgung geführt haben, und den Fachkräftemangel. Dieser werde sich weiter verschärfen – statt auf ein Mehr an Köpfen zu setzen, seien Effizienzsteigerungen in der Versorgung notwendig. Konkret wird vorgeschlagen:
Bundesgesundheitsministerium, Pflegeverbände, Krankenkassen und Träger der Sozialhilfe haben in einer gemeinsamen Erklärung Eckpunkte zum Schutz vulnerabler Gruppen, insbesondere pflegebedürftiger Menschen, vorgelegt.
"Die Pandemie ist nicht vorbei. Ich möchte aber, dass sie in diesem Herbst und Winter nicht erneut zu einem Hauptproblem wird."
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach.
Dies sei mit einer vierten Impfung mit adaptiertem Impfstoff, aber auch neuen Therapeutika wie Paxlovid erreichbar. Einig sind sich die Beteiligten, dass die Länder ihr Engagement koordinierter zugehender Impfangebote in den Einrichtungen aufrechterhalten oder auch ausbauen. KVen seien verpflichtet, bei Ärzten darauf hinzuwirken, eng mit Heimen zusammenzuarbeiten. Diese sollten Pflegefachkräfte im Wege der ärztlichen Delegation bei der Durchführung der Schutzimpfungen einbinden.
Im Unterschied zur vorangegangenen Herbst-Winter-Periode steht nun mit Paxlovid ein wirksames antivirales Arzneimittel zur Verfügung, das, so Lauterbach, die Mortalität erkrankter Menschen bei frühzeitigem Einsatz um 80 bis 90 Prozent senken könne. Heime können Paxlovid direkt von der versorgenden Apotheke beziehen und bevorraten. Damit soll gewährleistet werden, dass das Arzneimittel bei positivem Antigentest und nach Konsultation des Hausarztes oder des heimversorgenden Arztes ohne Zeitverzug eingesetzt werden kann.
Unterdessen zeichnet sich seit der ersten Septemberhälfte der Beginn einer neuen Herbst-Winter-Pandemiewelle an. Am vergangenen Freitag war die Sieben-Tage-Inzidenz bundesweit auf 577 gestiegen. Positivenrate, Hospitalisierungsraten und die Belastung von ITS-Kapazität mit Covid-Patienten steigen. Die größte Sorge von Intensivmedizinern ist der Personalmangel aufgrund einer generellen Ausdünnung der Mitarbeiterzahlen in der Intensivpflege und aufgrund des Risikos von Fehlzeiten als Folge von Infektionen.
Eine flächendeckende Anwendung digital unterstützter Arzneiverordnungen bei den 18 Millionen Patienten, die einen hohen Medikamentenbedarf haben, kann jährlich zwischen 65.000 und 70.000 Todesfälle vermeiden. Dies geht aus der Evaluation des Innovationsfondsprojektes "Anwendung für ein digital unterstütztes Arzneimitteltherapie-Management" (AdAM) hervor, das die Barmer zusammen mit der KV Westfalen-Lippe von Juli 2017 bis Juni 2021 durchgeführt hat. Wissenschaftlich begleitet wurde das Projekt von Wissenschaftlern der Unis Frankfurt, Bochum, Bielefeld, Köln und Wuppertal. Eingeschlossen waren 11.000 Barmer-Versicherter und 937 Arztpraxen. Ziel war es, für Patienten, die fünf und mehr Wirkstoffe benötigen, unter den 1.860 einbezogenen Wirkstoffen den verordnenden Ärzten mit Hilfe digitaler Werkzeuge einen schnellen Überblick über riskante Wechselwirkungen zu verschaffen. Bei dem hohen Medikamentenbedarf der Patienten und den betrachteten 1.860 Wirkstoffen sind rechnerisch 450.000 verschiedene Kombinationen möglich, deren Risiken sich nur mit Hilfe von Digitaltechnik ermitteln lassen.
Im Oktober startet die Barmer mit der KVWL das Projekt "eRIKA", mit dem in einem digital gestützten Prozess zwischen Versicherten, Praxen und Apotheken auf der Basis des eRezepts Medikationsfehler vermieden werden sollen. Mitbeteiligt sind die AOK Nordost, die gematik, das Bundesinstitut für Arzneimittel, weitere KVen sowie Apothekerkammern und Patientenvertreter.
Die EU hat im vergangenen Jahr 54 Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen zugelassen, 28 Prozent mehr als im Vorjahr. Unverändert größtes Indikationsgebiet mit hohem Innovationspotenzial sind die Hämatologie und Onkologie mit 17 neuen Wirkstoffen, gefolgt von Infektionskrankheiten; hier waren es vor allem neue Vakzine und Wirkstoffe gegen Covid-19-Infektionen, die auf den Markt kamen. Ein hoher Anteil der Neuzulassungen hat einen Sonderstatus: acht Orphan Drugs, sechs Wirkstoffe mit beschleunigter Zulassung (PRIME-Verfahren), 20 Zulassungen unter Bedingungen. Dies geht aus dem jetzt veröffentlichten Pipeline-Report 2021 des europäischen Dachverbandes der Pharma-Industrie (EFPIA) hervor, der auf Daten des Marktforschungsinstituts IQVIA basiert.
Weltweit ist die Zahl klinischer Studien erneut auf nunmehr 6.835 gestiegen; ihre Zahl hat seit 2017 im Jahresdurchschnitt um 11 Prozent zugenommen. 1.563 Studien haben die Phase 3 erreicht, sodass absehbar mit einer Zulassung gerechnet werden kann. Fast ein Viertel der Studien finden in der Onkologie/Hämatologie statt. Die Daten zeigen aber auch, dass Europa in der Arzneimittelforschung an Wettbewerbsfähigkeit verliert: Der Weltmarktanteil bei klinischen Studien ist seit 2012 von 31 auf nunmehr 24 Prozent zurückgefallen, die USA hielten sich konstant bei 30 Prozent, Asien – Schwerpunkt China – steigerte seinen Anteil von 20 auf 29 Prozent.