Mit außergewöhnlich scharfer Kritik hat die KBV auf einen ergänzenden Antrag der Koalitionsfraktionen zum Krankenhauspflegeentlastungsgesetz reagiert, in dem es um die zukünftige Ausstattung der Praxen mit der Telematikinfrastruktur und deren Finanzierung geht. Im Mittelpunkt steht damit eine sogenannte TI-Pauschale. An der Höhe der bisherigen Pauschale soll sich nichts ändern, obwohl Inflation und technischer Fortschritt nach Einschätzung der KBV die Kosten deutlich treiben könnten. Schon jetzt seien die Pauschalen zu knapp bemessen. Das Verfahren zur Festlegung sei außerdem schwerfällig und kompliziert. Ferner werde der Änderungsantrag zur Folge haben, dass die Vertragsärzte in Vorleistung gehen müssten und die Refinanzierung sich über einen bis zu 72 Monaten erstreckenden Zeitraum erfolgen werde. Mit einer solchen Vorgehensweise werde es nicht möglich sein, die Vertragsärzte für die Digitalisierung zu gewinnen, so KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister. Es sei außerdem "dreist", dass das Bundesgesundheitsministerium und die gematik allein festlegen sollen, welche Komponenten zusätzlich zur TI-Infrastruktur gehören sollen, die von den Ärzten finanziert werden müssen, so Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel.
Die KBV schlägt vor, dass künftig der GKV-Spitzenverband und die TI-Anbieter die Preise und die erstattungsfähigen Kosten für die TI-Komponenten vereinbaren, ähnlich dem Verfahren bei neuen Arzneimitteln und den DiGA. So könne sichergestellt werden, dass niedergelassenen Ärzten nicht ins Blaue hinein sämtliche TI-Kosten über eine auf sechs Jahre gestreckte Monatspauschale abgegolten werden, deren Höhe derzeit niemand kenne. Für Ärzte müssten die TI-Kosten ein Durchlaufposten sein, der nicht zu Mehrkosten führe, so der KBV-Vorstand.
Bei der Gestaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für die von der Bundesregierung geplanten Gesundheitskioske – das Bundesgesundheitsministerium hat dazu kürzlich Eckpunkte vorgelegt – sollten Ministerium und Gesetzgeber auf bereits bestehende und erfolgreiche Modelle zurückgreifen, fordert die KBV in einem Schreiben an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Beispielhaft verweist die KBV auf das vom GBA-Innovationsausschuss positiv evaluierte Modell Hamburg-Billstedt-Horn sowie auf aktuellen Entwicklungen in den KVen Nordrhein und Thüringen. Mit den geplanten Gesundheitskiosken dürfe keine Doppelstruktur entstehen, vielmehr sollten diese mit Vertragsärzten und insbesondere mit Ärztenetzen kooperieren. Eine eigene Versorgungsebene dürfe in den Kiosken nicht aufgebaut werden.
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Corona-Sonderregelung zur telefonischen Krankschreibung aufgrund einer leichten Atemwegserkrankung bis zum 31. März 2023 verlängert. Die AU-Bescheinigung gilt zunächst für sieben Tage und kann einmalig um weitere sieben Tage verlängert werden. Für die Beibehaltung der Ausnahmeregelung sprächen die ungewisse Entwicklung der zukünftigen Corona-Fallzahlen sowie die bevorstehende Grippe- und Erkältungssaison, so der GBA-Vorsitzende Josef Hecken. Ziel sei, Praxispersonal und vulnerable Patienten, die den Arzt aufsuchen müssen, vor Infektionen zu schützen.
Der Innovationsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses hat die Förderung von 16 weiteren Modellprojekten zu neuen Versorgungsformen beschlossen. Sobald die Projektnehmer die Förderbedingungen akzeptiert haben, werden die detaillierten Projektbeschreibungen auf der Website www.g-ba.de veröffentlicht. Themen der neuen Modelle sind
Die jetzt beschlossenen Projekte basieren auf insgesamt 123 Ideenskizzen, die nach dem 17. März beim Innovationsfonds eingereicht worden waren. Davon hatten 30 Antragsteller, die in die engere Wahl kamen, zur Ausarbeitung ihres Antrags eine Förderung von bis zu 75.000 Euro erhalten.
Aktuell hat der Innovationsausschuss die Förderung weiterer 28 Vollanträge im Bereich der neuen Versorgungsformen beschlossen, die dann mit bis zu 75.000 Euro gefördert werden. Welche Projekte dann endgültig gefördert und evaluiert werden, soll im vierten Quartal 2023 entschieden werden. Themen der geplanten Modelle sind unter anderem interdisziplinäre Versorgungsangebote im Bereich der Sekundär- und Tertiärprävention für Patienten mit komplexem Versorgungsbedarf, Digitalisierung der Heilmittelerbringung, sozialraumbezogene Versorgungsmodelle unter Einbeziehung der Kommunen sowie Stärkung der hausärztlichen Versorgung.
Generell zeigt sich: Bei den Akteuren in Gesundheitsversorgung und Wissenschaft existiert ein großes Potential für Versorgungsinnovationen. Bislang ist allerdings kaum eines der positiv evaluierten Modelle in die Regelversorgung übernommen worden.
Neue Anreizsysteme für die Erforschung und Entwicklung neuer Antibiotika hat der Präsident der Bundesärztekammer Dr. Klaus Reinhardt vor dem Hintergrund einer wachsenden Bedrohung durch Antibiotikaresistenzen gefordert. Bei der Konferenz "Die schleichende Pandemie" in Brüssel sagte Reinhardt, die Entwicklung von neuen Antibiotika müsse auch dann profitabel sein, wenn sie für die Behandlung von schweren Erkrankungen vorgehalten werden. Daher solle das Verwendungsrecht dieser Arzneimittel unabhängig von der eingesetzten Menge vergütet werden, so die Vorstellung des Bundesärztekammer-Präsidenten.
Der Hintergrund: Alle Beteiligten – Politik, Ärzte und Hersteller – sind sich einig, dass Reserveantibiotika nur sehr begrenzt und gezielt eingesetzt werden dürfen, um die Entwicklung neuer Resistenzen zu vermeiden. Aus diesem Grund versagt hier das konventionelle Geschäftsmodell der Industrie, bei dem Preis und Absatzmenge den Umsatz bestimmen und ein Produkt profitabel machen können. Diskutiert werden Finanzierungsanreize durch eine Förderung der Forschung und Entwicklung, eine absatzmengenunabhängige Finanzierung der Versorgung, beispielsweise durch sogenannte Abo-Modelle sowie als besonderer Anreiz sogenannte Transferable Exclusivity Extensions, mit denen die im Rahmen des Patentschutzes anerkannte Exklusivität eines neuen Antibiotikums auf ein anderes, absatz- oder umsatzstarkes Arzneimittel übertragen und erweitert werden kann.
Anlässlich des Europäischen Antibiotikatages am 18. November forderte die Vorsitzende des Marburger Bundes, Dr. Susanne Johna, verstärkte Anstrengungen der Bundesregierung auch auf internationaler Ebene, den Antibiotikaeinsatz zu minimieren. Nach einer Studie im Auftrag der G7-Staaten seien 9.600 Todesfälle direkt auf Antibiotikaresistenzen zurückzuführen, weitere 45.700 Todesfälle stehen im Zusammenhang mit resistenten Bakterien. Ohne Infektionen mit resistenten Keimen hätten allein in den G7-Staaten eine halbe Million Todesfälle vermieden werden können. Neben dem verantwortungsbewussten Einsatz antimikrobieller Arzneimittel sei aber auch deren Verwendung in der Massentierhaltung ein wesentlicher Aspekt, so die Infektiologin. Ein herber Rückschlag sei daher die Entscheidung des Europäischen Parlaments im Juni gewesen, den Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung nicht weiter einzuschränken. Notwendig sei eine "kohärente Reduktionsstrategie" im Rahmen einer One Health-Policy. Reserveantibiotika sollten ausschließlich der Humanmedizin vorbehalten bleiben, so Johna. Allerdings gibt es auch Erfolge: So ist in Deutschland – unter anderem aufgrund solcher Verwendungsverbote und als Folge von Meldepflichten – der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung seit 2011 um 65 Prozent auf 605 Tonnen gesunken und deutlich niedriger als in der Humanmedizin.
Die seit 2011 vorgeschriebene frühe Nutzenbewertung für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen durch den Gemeinsamen Bundesausschuss führt dazu, dass Hersteller im Schnitt jedes achte bewertete Arzneimittel wieder aus der Vermarktung nehmen. Dies geht aus den vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie publizierten AMNOG-Daten 2022 vor, einer Studie, die von den Gesundheitsökonomen Professor Dieter Cassel und Professor Volker Ulrich erstellt worden ist. Vor dem Hintergrund der durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz verschärften Erstattungsregeln erwartet der Pharmaverband, dass weitere Versorgungslücken entstehen können. Die Gesundheitsökonomen kritisieren die Praxis des Bundesausschusses, bei weitem nicht alle mit den Dossiers eingereichten Daten zur Lebensqualität in die Bewertung einzubeziehen.
Die Allianz Private Krankenversicherung (APKV) hat als erstes privates Krankenversicherungsunternehmen eine elektronische Patientenakte (ePA) für ihre Vollversicherten gestartet. Die ersten Funktionen sind die Speicherung von Gesundheitsdaten und medizinischen Unterlagen, von Notfalldatensätzen sowie Medikationsplänen. Weitere Funktionen wie die eAbrechnung und das eRezept sollen 2023 folgen. "Über die ePA vernetzen wir unsere Versicherten mit ihren Ärztinnen, Ärzten und medizinischen Leistungserbringern", so APKV-Vorstand Daniel Bahr.