Wochenrückblick Gesundheitspolitik: Krankenhausreform "Too big to fail"

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach kämpft weiterhin für die Umsetzung einer Krankenhausreform. Daneben stehen Themen wie die Digitalisierung, die Finanzierung der Pflege und die Zukunft der Krankenkassen im Fokus.

Krankenhausreform: "Too big to fail"

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ist trotz persistierenden Dissenses mit den Bundesländern nach wie vor zuversichtlich, dass die geplante Krankenhausreform realisiert wird. Über ihre Notwendigkeit bestehe Konsens, sie sei zu bedeutsam, als dass sie noch scheitern könne, sagte Lauterbach nach einer Verhandlungsrunde mit den Ländern am vergangenen Mittwoch. Um das Gesetzgebungsverfahren voranzutreiben, will er nun ein zustimmungsfreies Gesetz für Krankenhausstruktur, -planung und -vergütung durch den Bundestag bringen. Die Krankenhausplanung, die als hoheitliche Aufgabe der Länder im Bundesrat zustimmungspflichtig ist, soll durch Rechtsverordnungen geregelt werden. Die Länder haben sich darauf verständigt, bis zum 30. April zum aktuellen Referentenentwurf eine gemeinsame Stellungnahme vorzulegen. Entsprechend wird das Bundeskabinett nicht am kommenden Mittwoch, wie ursprünglich geplant, sondern voraussichtlich am 8. Mai den Entwurf verabschieden.  

Dissens besteht vor allem darin, unter welchen Bedingungen und mit welchen Fristen Abweichungen von Strukturvorgaben für die Anerkennung von Leistungsgruppen gelten sollen, wenn die Sicherstellung der Versorgung gefährdet ist, so die Hamburger Gesundheitssenatorin Melanie Schlotzhauer. Die Länder fordern weitgehende und unbefristete Ausnahmen. Ferner wollen die Länder eine Auswirkungsanalyse der geplanten Leistungsgruppen und der neuen Vergütungssystematik. Notwendig seien Planungssicherheit und frühzeitige Kenntnis der Rechtsverordnungen, auch mit Blick auf die Haushaltsplanungen der Länder. An den Rechtsverordnungen werde schon jetzt gearbeitet, sagte Lauterbach. Aber zunächst müsse das Gesetz kommen; es sei verständlich, dass die Länder "nicht die Katze im Sack kaufen" wollten, man werde ihnen aber nicht den Gefallen tun, Rechtsverordnungen vor Inkrafttreten des Gesetzes vorzulegen.  

Unterdessen prüfen die Länder Bayern und Nordrhein-Westfalen, ob sie gegen das Gesetz mit einer Klage in Karlsruhe vorgehen können, weil es in ihre Hoheitsrechte eingreift und der Bund damit seine Gesetzgebungskompetenz überschreitet. Ein weiterer Dissens besteht auch hinsichtlich der Höhe der Länderbeteiligung am Transformationsfonds. Den hälftigen Anteil halten sie für zu hoch. Vice versa bezweifeln aber auch die Krankenkassen, ob aus ihren Beitragsmitteln die Liquiditätsreserve des Bundesausschusses gespeist werden kann, mit dem die andere Hälfte des Transformationsfonds finanziert werden soll. 

Versorgungsstärkungsgesetz deutlich abgespeckt

Um das Gesetzgebungsverfahren für das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz, das insbesondere für die ambulante ärztliche Versorgung von Bedeutung ist, zu beschleunigen, hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die Gesetzvorlage für das Kabinett um strittige Punkte – auch innerhalb der Koalition – abgespeckt. Auf Drängen der FDP wird nun auf die Errichtung von Gesundheitskiosken verzichtet. Ferner sind die Primärversorgungszentren und Gesundheitsregionen nicht mehr im Entwurf enthalten. Vor allem aber: Die massive Kritik der Krankenkassen an dem Plan, sie sollten die Erhöhung der Zahl der Medizinstudienplätze um 5.000 finanzieren, hat dazu geführt, dass diese Neuregelung im Gesetz gestrichen wurde, obwohl Lauterbach dies für dringend erforderlich hält. Aufgegeben wurde auch die Absicht, homöopathische Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der Kassen zu streichen.

Im Kern bleibt es mit dieser Reform bei der Entbudgetierung der hausärztlichen Vergütung in Kombination mit einer Neuordnung der Vergütungssystematik ohne Quartalsbezug, die weitgehende Abschaffung der Wirtschaftlichkeitsprüfungen im Einzelfall und Maßnahmen zur Entbürokratisierung.

E-Rezept: 133 Millionen im ersten Quartal

Zumindest partiell gewinnt die Digitalisierung im Gesundheitswesen an Breitenwirkung. So wurden nach Angaben der Bundesregierung von Anfang April seit Jahresbeginn insgesamt 133 Millionen elektronische Rezepte für GKV-Versicherte ausgestellt. Täglich sei deren Zahl um zwei Millionen gewachsen. Gleichwohl habe es in der Startphase wie bei Umstellungen üblich "Herausforderungen" gegeben. Einen dauerhaften Mehraufwand für Ärzte oder Apotheker kann das Bundesgesundheitsministerium nicht erkennen. 

BKK: Zusatzbeitrag 2025 bei mindestens 2,45 Prozent

Nach einer Finanzanalyse des BKK-Dachverbandes werden die gesetzlichen Mindestreserven der Krankenkassen und des Gesundheitsfonds aufgrund des politisch gewollten Rocklagenabbaus im Laufe dieses Jahres erreicht. Im vierten Quartal habe sich die Finanzentwicklung deutlich verschlechtert. Als Folge dessen liege die Mindestliquidität derzeit nur noch knapp über dem gesetzlichen Soll von 20 Prozent einer Monatsausgabe. Als Folge dessen werde es schwieriger, saisonale Ausgabenspitzen abzufedern. Auch die Reserve im Gesundheitsfonds – aus ihm soll künftig der Transformationsfonds für die Krankenhäuser finanziert werden – werde bis zum Jahresende von 9,4 auf 4,7 Milliarden Euro schrumpfen; auch dieser Wert liegt dann nur noch knapp über der gesetzlichen Mindestreserve. Als Konsequenz prognostiziert der BKK-Dachverband einen Anstieg des durchschnittlichen Zusatzbeitrag von derzeit 1,7 auf mindestens 2,45 Prozent. 

Zahl der Pflegebedürftigen explodiert

Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland ist seit Ende 2016, dem Zeitpunkt der Einführung der neuen Pflegegrade, von 3,2 auf 5,2 Millionen gestiegen, allein im vergangenen Jahr um elf Prozent oder 361.000. Ohne tiefgreifende Reformen - auch der Finanzierung der Pflegeversicherung durch einen Bundeszuschuss etwa für die Altersversorgung pflegender Angehöriger – prognostiziert Gernot Kiefer, im GKV-Spitzenverband für die Pflege zuständiges Vorstandsmitglied, eine Überlastung der Pflegebedürftigen durch steigende Selbstbehalte sowie eine Überforderung der Arbeitskräfte und Arbeitgeber. Er rechnet damit, dass der starke Zuwachs pflegebedürftiger Menschen bis etwa 2035 andauern wird. Schon heute fehlten aber mindestens 30.000 Pflegekräfte. 

Personalie

Professor Louisa Specht-Riemenschneider, Direktorin des Zentrums für Medizinische Datennutzbarkeit und Translation sowie Lehrstuhlinhaberin für Bürgerliches Recht, Recht der Datenwirtschaft, des Datenschutzes, der Digitalisierung und der Künstlichen Intelligenz an der Universität Bonn, wird neue Datenschutzbeauftragte des Bundes und folgt damit Ulrich Kelber, dessen Amtszeit nicht mehr verlängert wurde.  Louisa Specht-Riemenschneider, die unter anderem 2023 Vorsitzende des Digitalbeirats des Bundesministeriums für Verkehr und Digitales war, könnte einen Paradigmenwechsel in der Datenschutzpolitik des Bundes einleiten, dessen Datenschutzbeauftragte bislang nach dem Paradigma der Datensparsamkeit Gesetzgebungsvorhaben des Bundes kritisch begleiteten. Das hatte zu erheblichen Konflikten im Verlauf der Beratungen zu den Digitalgesetzen von Bundesgesundheitsminister Lauterbach geführt. Die Amtszeit des Datenschutzbeauftragten, der den Rang eines Staatssekretärs hat und beim Bundesinnenministerium angesiedelt ist, beträgt fünf Jahre.