Der Bundestag hat am Donnerstag das Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (DigiG) sowie das Gesetz zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten (GDND) in zweiter und dritter Lesung beschlossen. Sie sollen zum 1. Januar 2024 in Kraft treten.
Mit dem Digitalgesetz wird ab 2025 die ePA mit einem Widerspruchsrecht eingeführt; damit verbunden ist die digitale Medikationsübersicht, ferner werden Arztberiefe, Befundberichte und Entlassbriefe digital übermittelbar. Das eRezept wird weiterentwickelt und als verbindlicher Standard in der Arzneimittelversorgung etabliert; über eine ePA-App wird ein weiterer Zugangsweg eröffnet. Digitale Gesundheitsanwendungen werden auf digitale Medizinprodukte der Risikoklasse IIb erweitert und ermöglichen komplexere Behandlungsprozesse, die zum Beispiel für das Telemonitoring genutzt werden können. Für die Telemedizin werden Mengenbegrenzungen aufgehoben, auch Hochschulambulanzen, psychiatrische Institutsambulanzen und psychotherapeutische Sprechstunden werden telemedizinisch möglich. Ein neuer Prozess für die Erstellung und Festlegung von Datenstandards soll Interoperabilitätsvorgaben von hohem Standard schaffen. Zur Sicherung von Patientenrechten müssen Krankenkassen Ombudsstellen einrichten.
Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz schafft einen zentralen Datenzugang über eine Koordinierungsstelle für die Forschung mit Gesundheitsdaten, die pseudonymisiert aus verschiedenen Datenquellen miteinander verknüpft werden können. Die federführende Datenschutzaufsicht für länderübergreifende Forschungsvorhaben wird auf alle Gesundheitsdaten ausgeweitet. Das Forschungsdatenzentrum beim Bundesinstitut für Arzneimittel wird weiterentwickelt. Für den Zugang zu Forschungsdaten ist allein der Forschungszweck ausschlaggebend. Damit erhalten neben Universitäten, forschenden Ärzten und nichtuniversitären Forschungseinrichtungen auch forschende Pharmaunternehmen einen Zugang zu Gesundheitsdaten. Aber auch Leistungserbringer und deren Netzwerke werden befähigt, ihnen vorliegende Versorgungsdaten für die Forschung, Qualitätssicherung und Patientensicherheit zu nutzen.
Ganz überwiegend stoßen die beiden Gesetze auf Zustimmung, insbesondere bei Universitätsklinika, pharmazeutischer Industrie und Krankenkassen. Skeptische Stimmen kommen hingegen aus der Ärzteschaft insbesondere hinsichtlich der Umsetzbarkeit und Praktikabilität. Die Bevölkerung steht der Digitalisierung überwiegend aufgeschlossen gegenüber, wie eine aktuelle Umfrage im Auftrag des AOK-Bundesverbandes ergab. Danach finden 63 Prozent die Opt-Out-Regelung für die ePA gut, 23 Prozent lehnen sie ab. Gut ein Fünftel will definitiv von der Opt-Out-Regelung Gebrauch machen. Die Hälfte der Befragten will dies nicht tun.
Schwangere Frauen sowie ÄrztInnen und Mitarbeitende von Schwangerschaftsberatungs-Einrichtungen werden seit geraumer Zeit zunehmend von ideologisch oder religiös motivierten Abtreibungsgegnern in der Öffentlichkeit angesprochen, angefeindet und bedroht. Mit einer jetzt geplante Gesetzesinitiative des Bundesfrauenministeriums (BMFSFJ) sollen künftig bestimmte nicht hinnehmbare Verhaltensweisen untersagt werden, wenn diese geeignet sind, die Inanspruchnahme oder den Zugang zu einer Beratungsstelle oder zu einer Einrichtung, die Schwangerschaftsabbrüche vornimmt, beeinträchtigt. Das soll für wahrnehmbare Verhaltensweisen in einem Bereich von 100 Metern um die Einrichtung gelten. Das Ministerium stellt eine zunehmende Häufigkeit von Protestaktionen von Abtreibungsgegnern sowie unmittelbare Ansprache von Frauen und Fachpersonal fest. Dabei werde mit unwahren und verstörenden Inhalten argumentiert, die geeignet seien, Beratungen zu beeinträchtigen.
Der Marburger Bund hat diese Initiative ausdrücklich begrüßt. Zusätzlich zu den bisher im Referentenentwurf aufgelisteten Verbotstatbeständen plädiert der Marburger Bund auch für eine Regelung, die ausdrücklich die Behinderung oder Belästigung von Ärzten und deren Mitarbeitenden mit einem bußgeldbewehrten Verbot belegt.
Eine Gruppe von 14 Fachärztinnen und Fachärzten aus den Bereichen Notfall- und Intensivmedizin haben mit Unterstützung des Marburger Bundes Verfassungsbeschwerde gegen die im Infektionsschutzgesetz verankerte Triage-Regelungen eingereicht. Gesetzliche Bestimmungen würden ihnen Grenzentscheidungen aufzwingen, die ihrem beruflichen Selbstverständnis widersprechen und sie in erhebliche Gewissensnöte bringen könne, heißt es in der Begründung der Beschwerde. Es bestehe das Risiko, dass Menschen als Folge starrer Triage-Regelungen unnötig sterben müssen, obwohl sie eine gute Überlebenschance durch eine adäquate Notfallversorgung haben. Die Bundesärztekammer hat die Verfassungsbeschwerde mit einem Vorstandsbeschluss unterstützt.
Nur wenige Jahre nach dem Scheitern einer Gesetzesinitiative für eine Neuregelung der Organspende und die Einführung der Widerspruchslösung wird sich der Bundestag bald erneut mit der Problematik auseinandersetzen müssen. Vor dem Hintergrund einer nach wie vor prekären Situation der Organspende in Deutschland hat der Bundesrat auf Initiative der Länder Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hessen einen Antrag zur Einführung einer Widerspruchslösung beschlossen. Das Vorhaben wird von der Bundesärztekammer ausdrücklich begrüßt und unterstützt. Sie verweist darauf, dass sich Ärztetage in den vergangenen Jahren mehrfach für die Einführung der Widerspruchslösung stark gemacht haben. Die Widerspruchslösung ist in vielen Ländern implementiert, so etwa in Frankreich, Irland, Italien, Österreich und Spanien.