Im Dialog zwischen KBV, KVen, den Bundesministerien für Arbeit und Gesundheit sowie der Deutschen Rentenversicherung ist nun Klarheit hinsichtlich der Sozialversicherungspflicht von Poolärzten geschaffen worden, die am vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst teilnehmen. Dabei wurde Einigkeit geschaffen, unter welchen Voraussetzungen diese Ärzte selbstständig tätig und damit nicht sozialversicherungspflichtig sind. Unabhängig von der Notwendigkeit, die Materie gesetzlich zu regeln, soll die Vereinbarung vorab angewendet werden.
Damit habe man "Sicherheit und Klarheit" geschaffen, begrüßte der KBV-Vorsitzende Dr. Andreas Gassen das Ergebnis der Verhandlungen. Zum einen für die KVen, die den ärztlichen Bereitschaftsdienst organisieren, und zum anderen für die Kollegen, die sich am Dienst beteiligen. Damit sei es zudem gelungen, für Patienten einen wichtigen Baustein der Versorgung außerhalb der Praxisöffnungszeiten weiterhin sicherzustellen.
Als Voraussetzungen für die Ausgestaltung des vertragsärztlichen Notdienstes im Sinne einer selbstständigen Tätigkeit gelten danach:
Der Hintergrund: Das Engagement von Poolärzten, die nicht als Vertragsärzte regulär in der vertragsärztlichen Versorgung arbeiten, ist ein entscheidendes Element zur Sicherstellung der KV-Bereitschaftsdienste außerhalb der Sprechstundenzeiten. Die Deutsche Rentenversicherung hatte dabei den Rechtsstandpunkt vertreten, dass es dieser Tätigkeit an wesentlichen Voraussetzungen der Selbstständigkeit mangele und dass die gezahlten Vergütungen daher der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Diese Auffassung war höchstrichterlich bestätigt worden. Als Folge dessen kündigten die KVen auf breiter Front Verträge mit Poolärzten, wodurch die Sicherstellung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes in Frage gestellt wurde. Parallel dazu suchten aber KBV, KVen und Politik den Dialog, der nun pragmatisch zum Erfolg geführt wurde.
Als Schlussfolgerung aus der Begutachtung von Behandlungsfehlern durch den Medizinischen Dienst fordert dieser eine gesetzliche Meldepflicht für sogenannte Never Events, wie sie international bereits Standard ist. Es handelt sich dabei um folgenschwere Fehler wie Patienten-, Seiten- oder Medikamentenverwechslungen, die eigentlich nie geschehen dürfen. Die Meldepflicht soll anonym und sanktionsfrei bleiben und primär der Verbesserung des Versorgungsprozesses und der Aufklärung von Fehlerursachen dienen.
Im vergangenen Jahr hat der Medizinische Dienst bundesweit 12.438 fachärztliche Gutachten zu vermuteten Behandlungsfehlern erstellt, in jedem vierten Fall wurde ein Fehler mit Schaden bestätigt. Nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden des Medizinischen Dienstes, Dr. Stefan Gronemeyer, zeigen die Begutachtungszahlen nur einen kleinen Ausschnitt des tatsächlichen Geschehens. Aus wissenschaftlichen Untersuchungen wisse man, dass die Dunkelziffer wesentlich höher sei und Behandlungsfehler tatsächlich in etwa einem Prozent der stationären Behandlungen vorkommen. Daher sei etwa von jährlich 168.000 Fehlern auszugehen, wodurch es rund 17.000 fehlerbedingte vermeidbare Todesfälle gebe.
In der Jahresstatistik 2023 wurde 151 Fälle als sogenannte Never Events eingestuft – Schadensereignisse, die eigentlich nicht passieren dürften. Dazu gehören schwerwiegende Medikationsfehler, unbeabsichtigt zurückgebliebene Fremdkörper nach Operationen sowie Verwechslungen von Patienten. Bei solchen Fehlern bestehen Risiken im Versorgungsprozess, denen systematisch nachgegangen werden müsse, um sie künftig zu vermeiden, so Gronemeyer. Dazu notwendig sei eine gesetzliche Meldepflicht. Sie soll dem Erkennen, Umsetzen und Bewerten von Sicherheitsvorkehrungen dienen. Andere Länder nutzten bereits eine solche Meldepflicht zur Verbesserung ihrer Patientensicherheit.
In der aktuellen Jahresstatistik beziehen sich zwei Drittel aller Behandlungsfehlervorwürfe auf Leistungen der stationären Versorgung, ein Drittel auf die ambulante Versorgung. 29,5 Prozent der Vorwürfe betrafen das Fachgebiet Orthopädie und Unfallchirurgie, 11,5 Prozent die Innere und Allgemeinmedizin, jeweils etwa 9 Prozent die Zahnmedizin sowie die Gynäkologie und Geburtshilfe. Eine Häufung von Vorwürfen sage jedoch nichts über die tatsächliche Fehlerhäufigkeit in einem Fachgebiet aus. Entscheidend sei auch, wie Patienten mögliche Fehler bemerken und darauf reagieren können. Dies sei bei chirurgischen Eingriffen leichter möglich als etwa die Erkennung von Medikationsfehlern.
Bei zwei Dritteln der Patienten, bei denen der Verdacht auf einen Behandlungsfehler begutachtet wurde, war der Gesundheitsschaden vorübergehend und die Betroffenen konnten voll genesen. In knapp einem Drittel kam es zu Dauerschäden. In 2,8 Prozent der festgestellten Fehler war dieser ursächlich für den Tod eines Patienten.
Nach zwei ergebnislosen Verhandlungsrunden zwischen der KBV und dem GKV-Spitzenverband soll im September über einen neuen Orientierungswert weiterverhandelt werden. Die KBV fordert eine Erhöhung des geltenden Orientierungswertes von 11,9 Cent um 6,7 Prozent, die Kassenseite hatte 1,6 Prozent angeboten, die im Wesentlichen retrospektiv die Tarifsteigerungen der Medizinischen Fachangestellten im Vorjahr berücksichtigen. Der Hartmannbund bewertet das Angebot als "völlig inakzeptabel" und fordert eine Abkehr von der Methode der retrospektiven Berücksichtigung der Kostensteigerungen zugunsten einer Heranziehung aktueller Kostenentwicklungen. Ähnlich äußerten sich der Spitzenverband der Fachärzte, der Hausärzte- und Kinderärzteverband sowie der Medi-Verbund. Sie verweisen darauf, dass die MFA-Gehälter in diesem Jahr um 7,4 Prozent gestiegen sind, zugleich seien aber auch Kosten für Mieten, Energie und Praxisbedarf explodiert, so Professor Nicola Buhlinger-Göpfarth und Dr. Markus Beier vom Hausärzteverband. Medi-Chef Dr. Norbert Smetak kritisierte die ungleiche Behandlung von Pflegepersonal in Krankenhäusern und den MFA in Arztpraxen. Man brauche eine deutliche Steigerung des Orientierungswertes, um auch die prekäre Personalsituation in den Praxen zu verbessern.
Nach Einschätzung von KBV-Chef Dr. Andreas Gassen wäre ein Scheitern der Krankenhausreform "desaströs". Notwendig sei dringend ein Abbau von Überkapazitäten und eine Konzentration auf weniger Standorte – auch um dort sowie in der ambulanten Medizin gezielt mehr Ärzte und Pflegepersonal einsetzen zu können, sagte Gassen im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Dabei solle auf einen Ersatz geschlossener Klinikstandorte durch ambulant-stationär arbeitende Versorgungszentren, wie sie derzeit noch geplant sind, verzichtet werden, um tatsächlich Kapazitäten abzubauen. Dies müsse flankiert werden mit einer Stärkung der ambulanten Medizin, die gegenwärtig um zehn Prozent unterfinanziert sei. In Kombination mit einer besseren Steuerung von Patienten, beispielsweise auch durch Wahltarife, könnten insgesamt Kosten erspart werden, so Gassen.
Nach einer Befragung des Deutschen Krankenhausinstituts Ende Juli 2024 sind Klinikärzte täglich drei Stunden mit Bürokratie, insbesondere mit Dokumentationsaufwand beschäftigt. Hochgerechnet auf alle Klinikärzte absorbiert dies 59.000 Vollzeitäquivalente. Das Pflegepersonal ist täglich zu 2,7 Stunden mit bürokratischen Aufgaben befasst. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft kritisiert, dass der Bürokratieabbau im Gesundheitswesen anders als geplant nicht vorankommt. Die DKG habe entsprechende Vorschläge an das Bundesgesundheitsministerium übermittelt. Ursprünglich war ein Gesetzentwurf für Dezember 2023 angekündigt, bis dato liegen nicht einmal Eckpunkte vor. Unter anderem war vorgeschlagen worden, Redundanzen bei MD-Prüfungen zu vermeiden und die derzeit hochkomplexen Einzelverfahren bei der Prüfung von Neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu bündeln und zu straffen. Allein hier schreiben Krankenhäuser, jedes für sich, Tausende von Einzelanträgen. An der Umfrage des Krankenhausinstituts hatten 225 Allgemeinkrankenhäuser und 98 Psychiatrien teilgenommen.
70 Prozent der Ärzte in Weiterbildung können gesetzlich vorgeschriebene Pausenzeiten nicht einhalten, bei 40 Prozent ist die Dokumentation von Überstunden nicht möglich – entweder, weil digitale Erfassungsmöglichkeiten nicht existieren oder weil Chefs dies nicht erlauben. Dies geht aus einer Umfrage des Hartmannbundes unter 500 jungen Ärztinnen und Ärzten in der Weiterbildung hervor. Danach fehlt jedem zehnten Nachwuchsarzt ein fester Ansprechpartner unter erfahrenen Kollegen, wenn sie fachlichen Rat suchen. Beklagt wird ferner eine rückständige technische Ausstattung: nur jedem zweiten Nachwuchsarzt steht ein Dienst-Handy zur Verfügung, nur jeder Zehnte bekommt ein Tablet gestellt. 90 Prozent der Ärzte beklagen Probleme mit der IT-Infrastruktur. Aufgrund der schlechten Rahmenbedingungen kann sich nur etwa ein Viertel dieser Ärzte vorstellen, nach abgeschlossener Weiterbildung in der Klinik zu arbeiten.
Namhafte Präventionsexperten und medizinische Fachgesellschaften kritisieren die Pläne der Bundesregierung zum Aufbau eines neuen Bundesinstituts für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM), das nach einem Kabinettsbeschluss bis zum Januar 2025 errichtet werden soll. In diesem Institut soll die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung aufgehen, die Mitarbeiter am Standort Köln sollen darin weiterarbeiten. Ferner wird die bisher beim Robert Koch-Institut angesiedelte Gesundheitsberichterstattung mit zwei Abteilungen und rund 180 Mitarbeitern zum BIPAM verlagert. Das RKI soll sich auf übertragbare Krankheiten, deren Erforschung und Politikberatung fokussieren, das BIPAM auf nicht übertragbare Krankheiten. In dieser Trennung nach Krankheitsarten sehen insbesondere medizinische Fachgesellschaften keinen Sinn und erwarten eher Nachteile für die Forschung und Epidemiologie sowie kontraproduktive Doppelarbeit. Der Berliner Präventionsexperte Professor Rolf Rosenbrock, der das Ziel des Koalitionsvertrags, die Public Health-Forschung zu stärken, ausdrücklich begrüßt, sieht die jetzt vorliegende Konkretisierung problematisch: Das neue Bundesinstitut werde weniger politisch unabhängig sein. Aus fachlicher Sicht gebe es für getrennte Institute keine Argumente und keine internationalen Vorbilder. Er befürchtet ferner, dass die Arbeit des neuen Instituts weniger auf Health-in-All-Ansätze und Verhältnisprävention als vielmehr auf neue individualmedizinische Präventionsmethoden wie Früherkennungs- und Vorsorgeuntersuchungen fokussiert werde. Konkret war dies auch im Zusammenhang mit dem Plan für ein Gesundes-Herz-Gesetz geplant, dessen Beratung im Kabinett jüngst erneut verschoben worden ist.
Im vergangenen Jahr sind in Europa 47.600 Menschen hitzebedingt gestorben, es ist nach 2022 der höchste Wert, der jemals errechnet wurde. Eine entsprechende Schätzung der Übersterblichkeit hat das Barcelona Institut for Global Health auf Basis von Daten von Eurostat ermittelt. Die höchste Übersterblichkeitsraten – zwischen 393 und 175 auf eine Million Einwohner – verzeichneten dabei südeuropäische Länder wie Griechenland, Bulgarien, Italien und Spanien. Deutschland liegt bei 76 Hitzetoten auf eine Million Einwohner.
Bei der Vorbeugung hitzebedingter Todesfälle sind in den vergangenen Jahren allerdings auch Fortschritte erzielt worden. Ohne Klimaanpassungsmaßnahmen hätte die Rate der klimabedingten Sterblichkeit in der Allgemeinbevölkerung um 80 Prozent, unter den über 80-Jähriegten sogar um 100 Prozent höher gelegen. Dies deute darauf hin, dass die europäischen Länder seit Beginn des Jahrtausends weniger hitzefällig geworden sei; dies sei auch auf Maßnahmen des öffentlichen Gesundheitswesens nach dem Hitzerekordsommer 2003 zurückzuführen, so die Epidemiologen. Inzwischen existiert ein kostenloses Frühwarnsystem „Forecat.health“, das für 31 europäische Länder Prognosen zum Sterberisiko im Zusammenhang mir Kälte und Hitze bis zu 15 Tage im Voraus liefert.
Nach einer Marktstudie von Foodwatch enthalten 86 Prozent von 136 getesteten Süßgetränken für Kinder mehr als fünf Gramm Zucker pro 100 Milliliter. Damit konsumiere ein Kind bei 250 Milliliter Getränk 80 Prozent seines gesamten täglichen Zuckerbedarfs, ermittelte Foodwatch. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte hält diese Zahlen für alarmierend, es seien politisch dringend Präventionsmaßnahmen erforderlich. Die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) zieht daraus den Schluss, dass freiwillige Selbstverpflichtungen der Industrie unwirksam sind. Besser wäre eine gesetzlich verpflichtende Herstellerabgabe nach britischem Vorbild. Die dort erhobenen haben zu einer deutlichen Zuckerreduktion in den Getränken geführt. Notwendig seien ferner Werbebeschränkungen für Lebensmittel, die an Kinder gerichtet sind.