AOP-Vertrag: Fortschritt, aber nicht fertig gedacht

Seit Anfang 2023 gilt der neue Vertrag für Ambulantes Operieren. Die DGIM begrüßt die neuen Maßnahmen – doch an vielen Stellen besteht Nachbesserungsbedarf.

Kontextfaktoren im AOP-Vertrag unzureichend behandelt

Der neue AOP-Vertrag wurde Ende 2022 in Gemeinschaftsarbeit zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) in die Wege geleitet. Der Katalog führt alle Eingriffe auf, die ambulant vorgenommen werden müssen. Die Richtung ist klar: 208 weitere Operationen und Behandlungsmaßnahmen, die bislang überwiegend stationär erfolgt sind, sollen nun ambulant durchgeführt werden. Darunter fallen beispielsweise viele endoskopische Eingriffe. 

Die DGIM vertritt hierzu eine klare Position: Grundsätzlich, schreibt die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin in ihrer Stellungnahme, seien Maßnahmen zur Ambulantisierung und Optimierung der transsektoralen und interdisziplinären Versorgungsgestaltung zu begrüßen. Aber: Aus Sicht der Fachgesellschaft sind im bereits vorliegenden Vertrag einige Punkte problematisch – so werden vor allem Kontextfaktoren bei der Entscheidung für oder wider ambulante Behandlung und Patientenwünsche unzureichend behandelt.

Ambulante Eingriffe: Qualitätsmaßnahmen müssen stationären Eingriffen entsprechen

Häusliche Versorgungssituation der Betroffenen sowie die Meinung der Patientinnen und Patienten dürften bei der Entscheidung für eine ambulante oder stationäre Behandlung aber keinesfalls ignoriert werden. Professor Dr. med. Georg Ertl, Generalsekretär der DGIM, gibt zu verstehen: 

"Die Patientinnen und Patienten sollten ausdrücklich in die Entscheidung, wo, wie und durch wen die Maßnahme durchgeführt wird, mit einbezogen werden."

In diesem Sinne müssten Ärztinnen und Ärzte auch immer vorrangig die medizinische Entscheidung für ambulante oder stationäre Behandlung treffen. Befugnisse des Medizinischen Dienstes müssten begrenzt werden. 

Außerdem müssten bei ambulanten Eingriffen dieselben Qualitätsmaßnahmen etabliert werden wie bei stationären Eingriffen. Hierzu schlägt die DGIM in ihrer Stellungnahme folgende Aspekte vor:

Pflegegrad, Immobilität oder kognitive Einschränkungen auf realistischem Niveau definieren

Ein weiterer wichtiger Punkt, der im AOP-Vertrag laut Deutscher Gesellschaft für Innere Medizin deutlich zu wenig Beachtung findet: Kontextfaktoren. „Im aktuellen Vertrag finden wichtige Fragen zu wenig Berücksichtigung, etwa danach, ob die Betroffenen pflegebedürftig und bewegungseingeschränkt sind, in ihrem Alltag Hilfe benötigen oder aufgrund ihrer Konstitution nach einer Betäubung ein erhöhtes Delir-Risiko haben,“ mahnt Professor Ertl. Die DGIM empfiehlt, dass Faktoren wie Pflegegrad, Immobilität oder kognitive Einschränkungen auf einem realistischen Niveau definiert werden sollten. 

Darüber hinaus müssten als Entscheidungsgrundlage auch soziale Faktoren inklusive häuslicher Lebenssituation in den AOP-Vertrag einfließen. Zusätzlich sieht die Fachgesellschaft Aufholbedarf in puncto Multimorbidität und Komorbiditäten – etwa fortgeschrittene chronische Nierenkrankheit, Herzinsuffizienz, Therapiestrategien bei Diabetes oder neurodegenerative Veränderungen. All diese Thematiken sind laut DGIM im AOP-Vertrag medizinisch unzureichend vertreten. 

Weiterentwicklung des AOP-Vertrags: DGIM fordert Einbindung

Wie könnte eine Weiterentwicklung des AOP-Vertrags konkret aussehen? Die DGIM sieht hierfür vor allem drei notwendige Handlungsschritte:

"Die DGIM und ihre Schwerpunkte verfügen über das nötige Fachwissen für die verlässliche, qualitätsorientierte Weitergestaltung des AOP-Katalogs," betont Prof. Ertl. Daher erwarte die internistische Fachgesellschaft, in diesen Prozess mit eingebunden zu werden.