Neuerungen in Diagnostik und Therapie: Living Guideline 3.0 zum Pankreaskarzinom

Die aktualisierte Version 3.0 der Living Guideline zum Pankreaskarzinom bringt wichtige Neuerungen in Diagnostik und Therapie. Von genetischen Tests bis zu neuen chirurgischen Standards – die Leitlinie setzt wichtige Maßstäbe für eine verbesserte Patientenversorgung.

Interview mit Prof. Thomas Seufferlein

Aktualisierte Living Guideline Version 3.0 zum Pankreaskarzinom: Wichtige Neuerungen für die klinische Praxis

Die Version 3.0 der Living Guideline bietet umfassend aktualisierte Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie des Pankreaskarzinoms. Im Fokus stehen Neuerungen in der Risikostratifizierung, chirurgischen Mindestanforderungen und der personalisierten Therapie, die maßgeblich zur Optimierung der Versorgung beitragen.

Diagnostik: Erweiterte Empfehlungen für genetische Testung und Screening

Ein zentrales Update betrifft die Identifizierung von Risikogruppen für ein genetisches Screening. Neu aufgenommen wurde die Empfehlung zur genetischen Testung bei Patienten mit zwei erstgradig Verwandten, die an Pankreaskarzinom erkrankt sind. Ebenso sollen Patienten mit hereditärer Pankreatitis oder nachgewiesener genetischer Prädisposition engmaschig überwacht werden. Hier wird empfohlen, sie in strukturierte Überwachungsprogramme mittels Kernspintomographie oder Endosonographie einzubinden, um die Entstehung eines Karzinoms frühzeitig zu detektieren.

Chirurgie: Einführung von Mindestfallzahlen zur Verbesserung der Prognose

Erstmals wurden in der Leitlinie Mindestfallzahlen für Pankreasresektionen festgelegt. Zentren müssen mindestens 20 große pankreaschirurgische Eingriffe pro Jahr durchführen, um eine optimale postoperative Mortalität zu gewährleisten. Studien zeigen, dass die Sterblichkeit in Zentren mit niedrigen Fallzahlen signifikant höher ist, weshalb diese Maßnahme als essenziell für die Patientensicherheit angesehen wird.

Medikamentöse Therapie: Neue Protokolle und Subgruppen-Therapien

In der systemischen Therapie wurde das NOLI-Protokoll (Nanoliposomales Irinotecan plus 5-Fluorouracil/Oxaliplatin) als neue Erstlinientherapie etabliert. Die Nanopoli-3-Studie hat einen signifikanten Überlebensvorteil im Vergleich zu bisherigen Standardtherapien gezeigt, was die Bedeutung dieses Ansatzes für die klinische Praxis unterstreicht. Für fortgeschrittene Tumoren wurden erstmals gezielte Therapien für Subgruppen empfohlen. Besonders erwähnenswert ist die Therapie mit RAS-G12c-Inhibitoren für Patienten mit dieser seltenen Mutation, die jedoch nur bei 4 % der Patienten auftritt. Ebenfalls wird die Immuntherapie bei mikrosatelliten-instabilen oder mismatch-reparaturdefizienten Tumoren empfohlen, einer kleinen Patientengruppe, bei der eine Immuntherapie vielversprechend ist. Obwohl diese Therapien noch nicht flächendeckend zugelassen sind, bieten sie für ausgewählte Patienten bereits jetzt klinisch relevante Optionen.

Multimodale Therapieansätze: Präzisierung der Behandlungsschemata

Die Leitlinie betont weiterhin die Bedeutung multimodaler Therapieansätze. Bei lokal resektablen Tumoren bleibt die Sequenz von Resektion und adjuvanter Chemotherapie Standard. Bei grenzwertig resektablen oder lokal fortgeschrittenen Tumoren empfiehlt sich eine Induktionschemotherapie, gefolgt von einer möglichen Resektion bei stabilem oder rückläufigem Tumorverlauf. Die Bildgebung ist in diesem Stadium oft limitiert, weshalb chirurgische Exploration notwendig bleibt, um die Operabilität festzustellen. Zukünftige Ansätze, wie der Einsatz von Künstlicher Intelligenz zur Bildanalyse, werden hier in aktuellen Studien untersucht.

Personalisierte Medizin: Erste Schritte und Potenzial für zukünftige Entwicklungen

Die Living Guideline trägt der zunehmenden Bedeutung der personalisierten Medizin Rechnung, insbesondere durch die Empfehlung spezifischer molekularer Therapien für kleine Subgruppen. Neben RAS-Inhibitoren und Immuntherapien bei genetischen Instabilitäten werden weitere molekulare Targets wie MTAP-Verluste oder Claudin 18.2 derzeit intensiv erforscht. Während diese Marker noch nicht in die Leitlinie aufgenommen wurden, zeigt die Dynamik der Studienlage, dass die personalisierte Therapie beim Pankreaskarzinom in den kommenden Jahren eine immer größere Rolle spielen wird.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit: Schlüssel für den Behandlungserfolg

Die Leitlinie betont erneut die Notwendigkeit einer engen interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Gastroenterologen, Chirurgen, Onkologen und Radiologen. Dies gilt insbesondere für die präoperative Beurteilung lokal fortgeschrittener Tumoren, wo eine individuelle Therapieentscheidung basierend auf radiologischen, chirurgischen und klinischen Parametern notwendig ist. Präzise radiologische Befunde und eine enge Abstimmung der beteiligten Disziplinen sind essenziell, um eine R0-Resektion anzustreben oder eine neoadjuvante Vorbehandlung optimal zu planen.

Fazit: Fortschritte und Zukunftsperspektiven in der Behandlung des Pankreaskarzinoms

Die Version 3.0 der Living Guideline bringt wesentliche Fortschritte in der Diagnostik und Therapie des Pankreaskarzinoms. Insbesondere die Einführung von Mindestanforderungen für chirurgische Eingriffe, neue Therapieprotokolle und die Berücksichtigung molekularer Subgruppen stellen wichtige Neuerungen dar, die die Prognose der Patienten verbessern können.