Langzeit-Einnahme von PPIs problematisch
Eine Langzeitstudie an 20.000 Menschen mit Typ-2-Diabetes berichtet erneut, dass die Dauereinnahme von Protonenpumpeninhibitoren mit einem erhöhtem kardiovaskulären und Mortalitätsrisiko einhergeht.
Störung der Darmflora als Ursache für den Zusammenhang vermutet
Dem Verständnis der Studienautoren zufolge liegt dies in Alterationen der Darmflora begründet: der weniger saure pH-Wert im Magen begünstigt eine Überwucherung des Darms mit Bakterien der oralen Mikrobiota und die mikrobielle Diversität im Darm nimmt zugleich ab. Die entstandene Dysbiose bedeutet auch Veränderungen der Metaboliten, die von der Darmflora freigesetzt werden. Das Darmmikrobiom enthält etwa 1015 mikrobielle Zellen und mehr als 22 Millionen mikrobielle Gene, was die Zellen und Gene des Menschen übersteigt. Mit diesen Genen kann das Darmmikrobiom eine Vielzahl von Enzymen mit vielseitigen Fähigkeiten synthetisieren und zahlreiche Verbindungen fermentieren, die der Verdauung durch menschliche Enzyme entgehen würden.2 Störungen dieser intestinalen Metaboliten können Inflammation fördern, die Zusammensetzung der Lipoproteinsubklassen und auch den Metabolismus von Makro- und Mikronährstoffen verändern, erläutern die Autoren. Außerdem scheinen PPI direkt die Blutzuckerkontrolle zu verschlechtern: bei Diabetikern unter PPI sind höhere HbA1c-Werte dokumentiert, welche wiederum das Risiko für makrovaskuläre Schäden beeinflussen.3
Daten anderer Arbeiten unterstreichen außerdem das Problem, dass PPIs Protonenpumpen unspezifisch hemmen, nicht nur die der Parietalzellen des Magens. Eine blockierte Säureproduktion in unseren Zellen (genauer: eine verminderte Acidifikation in den Lysosomen), stört die Elimination von Toxinen oder von nicht mehr benötigten Stoffwechselendprodukten und geht mit gesteigertem oxidativen Stress, Endothel-Dysfunktion, Telomer-Verkürzung und beschleunigter Seneszenz in menschlichen Endothelzellen einher.4-6
Begrenzung des Einsatzes und der Einnahmedauer von PPI
Nutzen und Risiken einer PPI-Einnahme müssen bei Typ-2-Diabetikern sorgfältig abgewogen und die kardiovaskuläre Gesundheit im Falle einer Anwendung intensiver überwacht werden, resümieren die Autoren.1
Doch auch außerhalb der Population der Diabetiker zeigt sich dieses Signal nicht zum ersten Mal. Als Protonenpumpenhemmer die Zulassung erhielten, waren sie ursprünglich für eine Einnahmedauer von bis zu max. 6 Wochen ausgelegt.6 Was wir heute leider immer wieder sehen – insbesondere mit zunehmendem Alter der Patienten – ist ein breiter, langfristiger Einsatz, dessen Indikation oder Nutzen im Verlauf unzureichend hinterfragt werden.
In einer Langzeitkohorte von 350.000 Erwachsenen (nicht auf Diabetiker beschränkt), die erstmals säurehemmende Medikamente erhielten, war das Mortalitätsrisiko ebenfalls um 23% erhöht, wobei das Sterberisiko mit der PPI-Expositionsdauer zunahm und der Anstieg insbesondere Patienten ohne dokumentierte medizinische Indikation für PPI betraf.4 "Die mit der Einnahme von PPI verbundenen Nebenwirkungen sind schwerwiegend, und alle von ihnen sind unabhängig voneinander mit einem höheren Sterberisiko verbunden", schloss die damalige Studie des US Department of Veterans Affairs.
Ernährungsoptimierung in vielerlei Hinsicht sinnvoll
Diabetiker sind von den genannten Risiken ohnehin stärker betroffen als die Allgemeinbevölkerung: ihnen werden PPI dreimal häufiger verordnet, zudem kommt es in dieser Population zwei- bis viermal häufiger zu kardiovaskulären Komplikationen und vorzeitigem Tod.3 Diese Patienten würden zunächst von einer Ernährungsoptimierung und Unterstützung der Diversität der Darmflora nachweislich in mehrerlei Hinsicht profitieren: die gleichen hochverarbeiteten Lebensmittel, die die Entstehung eines Diabetes begünstigen, prädisponieren auch zu Reflux. Zugleich kam eine Vielzahl von Studien und praxisnahen Audits übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass bereits einige einfache, aber gezielte Ernährungsmodifikationen in deutlichen Verbesserungen von Gewicht, HbA1c, Lipidprofilen und Blutdruck resultieren sowie zu hohen Raten von Remissionen bei Diabetes Typ 2 und Prädiabetes führen. Wie die Integration dieser Aspekte in die Routineversorgung einer hausärztlichen Praxis aussehen kann, skizzierten wir hier.
PPIs sollten nur bei klarer Indikation und über kurze Zeiträume eingesetzt sowie Absetzphänomene berücksichtigt und mit den Behandelten besprochen werden. Chronische und komplexe gastrointestinale Probleme mit PPIs zu behandeln, kann unentdeckte physiologische Probleme maskieren und weitere Komplikationen nach sich ziehen.6
- Geng, T. et al. Proton Pump Inhibitor Use and Risks of Cardiovascular Disease and Mortality in Patients With Type 2 Diabetes. The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism dgac750 (2022) doi:10.1210/clinem/dgac750.
- Liu, J. et al. Functions of Gut Microbiota Metabolites, Current Status and Future Perspectives. Aging and Disease 13, 1106 (2022).
- Langzeiteinnahme von PPI kann kardiovaskuläres Risiko und Mortalität erhöhen. DAZ.online https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2023/03/03/langzeiteinnahme-von-ppi-kann-kardiovaskulaeres-risiko-und-mortalitaet-erhoehen (2023).
- Xie, Y. et al. Risk of death among users of Proton Pump Inhibitors: a longitudinal observational cohort study of United States veterans. BMJ Open 7, (2017).
- Yepuri Gautham et al. Proton Pump Inhibitors Accelerate Endothelial Senescence. Circulation Research 118, e36–e42 (2016).
- Christoph Dr., S. Die tödliche Seite der PPIs. DocCheck https://www.doccheck.com/de/detail/articles/24279-die-toedliche-seite-der-ppis.
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