Klare Zusammenhänge zwischen psychischer Gesundheit und Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Anhand etlicher Zahlen und Studien, wie der INTERHEART, wird immer deutlicher, wie kritisch sich sowohl ein positiver als auch ein negativer psychologischer Status auf die kardiovaskuläre Gesundheit und Prognose auswirken.

Kardiovaskuläre Erkrankungen sollten nicht als isoliertes Phänomen betrachtet werden

Obwohl die Takotsubo-Kardiomyopathie oder stressbedingte Kardiomyopathie das offensichtlichste Beispiel dafür ist, wie sich ein psychischer Zustand unmittelbar negativ auf die kardiale Funktion auswirken kann, deutet eine wachsende Evidenzlage darauf hin, dass es auch eine umfassendere, langfristige Beziehung zwischen der Psyche und der kardiovaskulären Gesundheit, dem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und der kardiovaskulären Prognose gibt. Die potenziell toxischen Auswirkungen von Psychopathologie und schlecht regulierten Emotionen auf die körperliche Gesundheit sind seit langem bekannt, aber wie groß der Effekt einer gesunden Psyche auf die körperliche Gesundheit sein kann, wird in der Literatur seltener beleuchtet.

Das Positionspapier der American Heart Association referenziert eine lange Liste von Studien, die sich zumeist auf große Datenbanken stützen und aus denen hervorgeht, dass Pessimismus, Depressionen, Ängste, chronischer Stress, Trauma, soziale Stressoren, Wut und Feindseligkeit das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse signifikant erhöhen. Die von den Studien berechneten relativen Risikoerhöhungen für Myokardinfarkt, KHK, Herzinsuffizienz, Apoplex, Übergewicht, Hypertonus, Diabetes und kardiovaskuläre Mortalität sind hier vergleichbar mit denen durch etablierte Risikofaktoren wie etwa Rauchen oder Fehlernährung. Nur zwei Beispiele aus den zusammengetragenen Daten für die Negativ-Seite: soziale Isolation und Einsamkeit gingen in einer der Metaanalysen mit einem 1,5-fach erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse einher.2 Und eine große, prospektive Langzeitstudie über 11 Jahre verdeutlichte, wie Negativität die Gesundheit zerrütten kann: starker Pessimismus war mit einem mehr als verdoppelten kardiovaskulären Mortalitätsrisiko verknüpft (OR 2,2).3

Wie viel könnten Interventionen zur Verbesserung der psychischen Gesundheit im Hinblick auf kardiovaskuläre Outcomes nützen?

Was mich aber bewogen hat, gerade diese Übersichtsarbeit aufzugreifen, ist der ansonsten in der Literatur seltener dargestellte Lichtblick, wie stark positiv eine gute psychische Verfassung die sogenannten "harten" Parameter beeinflussen kann. Eine ebenfalls große Reihe von Arbeiten dokumentiert, wie Optimismus, Sinnhaftigkeit, Zufriedenheit, Achtsamkeit und psychisches Wohlbefinden mit einem geringeren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Sterblichkeit sowie mit verhaltensbezogenen und biologischen Faktoren in Verbindung stehen, die möglicherweise als Vermittler dieser festgestellten Zusammenhänge fungieren (wie Rauchen, körperliche Aktivität, Nüchternglukose oder Gewicht). Die Resultate der zusammengetragenen Studien waren untereinander recht konsistent und die meisten von ihnen wendeten verschiedene statistische Methoden an, um Verzerrungen und umgekehrte Kausalität durch einen schlechteren Gesundheitszustand auszuschließen.

So hatten knapp fünftausend ältere Erwachsene in der English Longitudinal Study of Ageing, die ein höheres Maß an psychologischem Wohlbefinden erlebten, eine höhere Wahrscheinlichkeit, für die kardiovaskuläre Gesundheit förderliche Parameter aufrechtzuerhalten (definiert als Nichtraucher, nicht an Diabetes erkrankt und mit gesundem Blutdruck, Cholesterin und Body-Mass-Index), und zwar zu jedem der drei Zeitpunkte der 8-jährigen Nachbeobachtungszeit.4

Des Weiteren ergab eine Metaanalyse mit Daten von 229.400 Personen ein signifikant geringeres Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse (RR 0,65) und Gesamtmortalität (RR 0,86) bei Menschen, die glücklich oder zufrieden waren.5

Als drittes exemplarisches Beispiel aus der langen Liste berichtete eine populationsbasierte prospektive Studie mit über sechstausend Erwachsenen, die zu Beginn der Studie keine KHK aufwiesen und im Durchschnitt 15 Jahre nachbeobachtet wurden, dass Personen mit einer höheren emotionalen Vitalität (umfasst Tatkraft, Wohlbefinden sowie die Fähigkeit, Emotionen effektiv zu regulieren) ein signifikant geringeres Risiko aufwiesen, eine KHK zu entwickeln als Personen mit einem niedrigeren Maß an emotionaler Vitalität (RR 0,81), wobei eine signifikante Dosis-Wirkungs-Beziehung evident war.6

Abschließend erwähnt wurden zusätzlich auch kleinere klinische Studien, die beispielsweise nach Dankbarkeitsinterventionen (wie dem Führen von Dankbarkeitstagebüchern) Verbesserungen hinsichtlich Blutdruck, Schlaf, entzündlichen Biomarkern und Herzfrequenzvariabilität nachweisen konnten.1

Fazit für die Praxis

Die meisten Patienten wissen, dass sich über Bewegung, gesundes Essen etc. das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken lässt, aber wenige nehmen die psychische Gesundheit als den eigenständigen modifizierbaren Risikofaktor wahr, der er ist. Aus der Lernforschung wissen wir, dass sich neue Bahnen und Verhaltensweisen durch positive Verstärkung wesentlich schneller etablieren als durch negative. Den Patienten in Aussicht zu stellen, was es durch das Praktizieren guter Verhaltensweisen konkret zu "gewinnen" gibt, ist demzufolge häufig der potentere Motivator als nur der Appell, dass eine bestimmte Lebensstiländerung vielleicht helfen könnte, eine negative Konsequenz zu vermeiden.
Einfache Screening-Maßnahmen können eingesetzt werden, um die psychische Gesundheit zu beurteilen und deren stärkere Einbeziehung ist in der Betreuung von Patienten mit CVD-Risiko ratsam, da das psychische Wohlbefinden kausal mit biologischen Prozessen und Verhaltensweisen verknüpft ist, die zu kardiovaskulären Erkrankungen führen oder zumindest beitragen können.

Weitere Informationen aus der Kardiologie: 

Weitere Informationen aus der Neurologie: 

Quelle:
  1. Levine, G. N. et al. Psychological Health, Well-Being, and the Mind-Heart-Body Connection: A Scientific Statement From the American Heart Association. Circulation 143, e763–e783 (2021).
  2. Steptoe, A. & Kivimäki, M. Stress and cardiovascular disease: an update on current knowledge. Annu Rev Public Health 34, 337–354 (2013).
  3. Pänkäläinen, M., Kerola, T., Kampman, O., Kauppi, M. & Hintikka, J. Pessimism and risk of death from coronary heart disease among middle-aged and older Finns: an eleven-year follow-up study. BMC Public Health 16, 1124 (2016).
  4. Boehm, J. K. et al. Psychological Well-being’s Link with Cardiovascular Health in Older Adults. Am J Prev Med 53, 791–798 (2017).
  5. Rozanski, A., Bavishi, C., Kubzansky, L. D. & Cohen, R. Association of Optimism With Cardiovascular Events and All-Cause Mortality: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA Netw Open 2, e1912200 (2019).
  6. Kubzansky, L. D. & Thurston, R. C. Emotional vitality and incident coronary heart disease: benefits of healthy psychological functioning. Arch Gen Psychiatry 64, 1393–1401 (2007).

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