Den richtigen Ton treffen: Kommunikation mit Krebspatienten
Die Kommunikation mit krebskranken Menschen fällt selbst erfahrenen Onkologen schwer. Dabei kann das Gespräch für die Betroffenen von existentieller Bedeutung sein.
Hohe psychische Belastung bei Krebspatienten
- Etwa 20 Prozent der Patienten leiden unter Depressionen, 10 Prozent unter Angststörungen. Die Prävalenz liegt damit höher als in der Allgemeinbevölkerung.
- Häufig bei onkologischen Patienten ist die sogenannte Progredienzangst, d.h. die Sorge vor einem erneuten Auftreten oder Fortschreiten der Erkrankung.
- Die Symptome können im Verlauf der Erkrankung auftreten, aber auch noch Jahre nach Abschluss der Behandlung persistieren.
- Depressionen und Angststörungen können einen negativen Einfluss auf die Lebensqualität, die Therapieadhärenz, das Krebsüberleben und auch auf die Behandlungskosten haben.
Wie erkenne ich Angst und Depression?
Nach ICD-10 gibt es klare Diagnosekriterien für Depressionen und Angststörungen. Für den klinischen Alltag haben sich einfache Screeninginstrumente bewährt, mit denen der Schweregrad der Symptome rasch eingeschätzt werden kann. Leicht anzuwenden ist etwa der PHQ-4, der psychische Belastungen anhand von vier einfachen Fragen erfasst.
Je nach Ergebnis bietet sich danach ein Vorgehen nach dem Stepped-care-Modell an. Es reicht von der regulären onkologischen Versorgung bei geringer Belastung bis hin zur psychiatrischen Akutversorgung in Krisensituationen.
Welche Gesprächstechniken sind hilfreich?
Schon das Arzt-Patienten-Gespräch im Rahmen der regulären Versorgung kann enorm viel bewirken. Um den Patienten Sicherheit zu vermitteln und sie emotional zu entlasten, sind folgende kommunikative Basisfertigkeiten gefragt:
- "Pacing" meint, den anderen dort abzuholen, wo er ist. Dazu gehört eine angemessene Informationsvermittlung, die den Ernst der Lage nicht überspielt.
- "Leading" meint das Führen anhand konkreter Handlungsvorschläge, um den Betroffenen das Gefühl der Ohnmacht zu nehmen.
- Reorientierungsübungen helfen dabei, den Patienten im Hier und Jetzt zu verorten, indem die Aufmerksamkeit auf die fünf Sinne gelenkt wird.
- "Mastery" schließlich ist der Rückgriff auf frühere Krisen, die der Patient bewältigt hat und an denen er sich nun orientieren kann.
Diese Gesprächstechniken allein können auf die Betroffenen bereits antidepressiv und anxiolytisch wirken.
Mittlerweile gibt es für Onkologen eigene Kommunikationstrainingsprogramme für ein gelingendes Arzt-Patienten-Gespräch. Ein Beispiel ist das COMSKIL-Modell. Hier wird neben konkreten Kommunikationstechniken auch vermittelt, auf welche Rahmenbedingungen man im Gespräch achten sollte. Dazu gehört nonverbales Verhalten wie Mimik und Blickkontakt, aber auch tröstliche Gesten wie das Anbieten von Taschentüchern. All das kann die Betroffenen beruhigen und Vertrauen aufbauen.
Fazit für die Praxis
Die Psychoonkologie ist heute fester Bestandteil der onkologischen Versorgung. Jeder Arzt, der Krebspatienten behandelt, sollte gezielt nach psychischen Belastungen fragen und in empathischer, patientenzentrierter Gesprächsführung geschult sein.
Weitere Informationen aus der Onkologie
- Weißflog G et al. Kommunikativer Umgang mit Angst und Depressivität bei Krebspatienten im Arzt-Patienten-Gespräch. Onkologie 2023; 29: 801–807.
- Hartung TJ, Kissane D, Mehnert A (2018) COMSKIL communication training in oncology – adaptation to German cancer care settings. In: Goerling U, MehnertA (Hrsg) Psycho-Oncology. RecentResults in Cancer Research. Springer, Cham.