Kognitive Entwicklung von Frühgeborenen: Was bringt Musiktherapie?
Frühgeborene Kinder sind oft in ihrer neurologischen Entwicklung beeinträchtigt. Eine internationale Studie untersuchte, ob Musiktherapie die sprachliche Entwicklung bei diesen Neugeborenen fördern kann.
Wichtige Erkenntnisse zur Musiktherapie bei Frühchen:
- Frühgeburten bergen ein hohes Risiko für neurologische Entwicklungsstörungen.
- Die Lärmbelastung auf neonatologischen Intensivstationen kann die Plastizität der auditorischen Gehirnregionen negativ beeinflussen und das Risiko für Sprachentwicklungsstörungen und kognitive Beeinträchtigungen bei Frühgeborenen erhöhen.
- Die Sekundäranalyse der LongSTEP-Studie testete Musiktherapie zur Förderung der Sprachentwicklung. Das Ergebnis: Es wurden keine signifikanten Vorteile durch die Musiktherapie bei den nun 2-jährigen Frühgeborenen festgestellt.
Frühgeborene sind besonders anfällig für neurologische Entwicklungsstörungen, die zu kognitiven Defiziten und Verhaltensauffälligkeiten führen können. Der Aufenthalt auf der NICU spielt dabei eine bedeutende Rolle: Die dortige Geräuschkulisse kann die sensorische Reifung beeinträchtigen und zu kognitiven Einschränkungen beitragen. Frühere Studien weisen darauf hin, dass Musik und insbesondere die Stimme der Eltern positive Effekte auf die Neuroplastizität haben könnten.
Design der LongSTEP-Studie
Die LongSTEP-Studie, eine randomisierte klinische Studie, wurde in acht Neonatalstationen in fünf Ländern durchgeführt. Insgesamt nahmen 206 Frühgeborene und ihre Eltern teil. Die Intervention umfasste elterngeleitetes Singen in der NICU und/oder zu Hause bis zu sechs Monate nach der Entlassung. Die Sprachentwicklung der Kinder wurde anhand der Bayley Scales of Infant and Toddler Development (BSID-III) bewertet. Frühere Ergebnisse dieser Studie zeigten keinen klinisch signifikanten Effekt bei den Säuglingen im korrigierten Alter von sechs und zwölf Monaten. Die nun vorgestellte Sekundäranalyse untersuchte die langfristigen Auswirkungen auf die neurologische, kognitive und motorische Entwicklung der Kleinkinder bei einem korrigierten Alter von 24 Monaten.
Musiktherapie vs. Standardversorgung: Kein besseres Outcome
Die Sekundäranalyse zeigte keine signifikanten Unterschiede in der Sprachentwicklung zwischen der Musiktherapiegruppe und der Kontrollgruppe, die nur Standardbehandlung erhielt. Auch in den Bereichen kognitive und motorische Entwicklung konnten keine relevanten Vorteile durch das elterliche Singen festgestellt werden.
Erklärungsansätze für fehlende Effekte
Obwohl frühere Studien kurzfristige positive Effekte der Musiktherapie auf Stressreduktion und physiologische Parameter wie Herz- und Atemfrequenz zeigten, erbrachte die Sekundärauswertung der LongSTEP-Studie keine Hinweise auf eine langfristige Verbesserung der sprachlichen und kognitiven Entwicklung. Die Forscher vermuten, dass die untersuchte Stichprobe möglicherweise nicht ausreichend repräsentativ für die am stärksten gefährdeten Frühgeborenen war, die am ehesten von der Intervention profitiert hätten. Außerdem ist die BSID-III-Skala wahrscheinlich nicht empfindlich genug, um subtile Veränderungen zu registrieren. Darüber hinaus waren die Konfidenzintervalle so groß, dass signifikante Effekte in beide Richtungen nicht vollständig ausgeschlossen werden konnten.
Fazit: Nutzen der Musiktherapie bei Frühgeborenen bleibt unbewiesen
Die Sekundäranalyse der LongSTEP-Studie zeigte keine signifikanten Verbesserungen in der langfristigen sprachlichen, kognitiven oder motorischen Entwicklung von Frühgeborenen. Dennoch können mögliche positive Effekte der Musiktherapie nicht gänzlich von der Hand gewiesen werden. Es besteht daher weiterer Forschungsbedarf, um die Frage nach dem Nutzen von Musiktherapie zu beantworten und spezifische Zielgruppen zu identifizieren.
- Bieleninik Ł, Kvestad I, Gold C, et al. Music Therapy in Infancy and Neurodevelopmental Outcomes in Preterm Children: A Secondary Analysis of the LongSTEP Randomized Clinical Trial. JAMA Netw Open. 2024;7(5):e2410721. doi:10.1001/jamanetworkopen.2024.10721