Misslingende Patientenkommunikation: Ein ärztlicher Kunstfehler

Mangelnde Empathie und Zuwendung führen bei Patienten zu Frust und behindern Therapieerfolge. Dr. Yael Adler erklärt, wie es besser geht.

Diese Fehler machen Ärzte im Patientengespräch

Frau Dr. Adler, Sie erzählen in ihrem Buch eine Geschichte aus dem Studentenleben. Darin versagen ausgerechnet die "Cracks" eines Jahrgangs beim Üben des Patientengesprächs. Was wollen Sie mit der Geschichte sagen?

Dass Arztsein aus verschiedenen Säulen besteht. Das wissenschaftliche Verständnis ist genauso wichtig wie die zwischenmenschliche Beziehung. Ohne letzteres gelingen Therapie und Heilung nicht. Wer am Patienten und nicht in der Forschung arbeiten will, braucht bestimmte Skills. Wer die nicht mitbringt, muss sie üben.

Empathie soll gelernt werden?

Durchaus. Man muss das nicht unbedingt mit dem Bauchgefühl erleben, aber man sollte dem Gegenüber den Eindruck vermitteln: Ich sehe dich, ich wertschätze dich, ich höre dir zu, ich möchte dir helfen. Wenn das nicht kommuniziert wird, fühlt sich die Patientin nicht getragen, dann ist sie nicht motiviert zur Therapie-Compliance. Wenn jemand sich in der Beziehung zu seinem Arzt nicht aufgehoben fühlt, ist das vergleichbar mit einer scheiternden Liebesbeziehung. Das erzeugt Stress, steigert das Kortisol, unterdrückt das Immunsystem. Das alles steht der Heilung im Weg. Daher sehe ich misslingende Kommunikation als ärztlichen Kunstfehler.

Sind Empathie und Kommunikationsstärke für Ärztinnen und Ärzte also genauso wichtig Fachkenntnisse?

Beides ist sehr wichtig - vor allem in der Verknüpfung. Die ganzheitliche Medizin hat viele Aspekte, die alle gleichermaßen wichtig sind. Wenn bei einem Tisch ein Bein zu kurz ist, wackelt er. Ähnlich ist es auch in der Medizin.

Wie lernt man denn gute Kommunikation?

Im Studium kommt das viel zu wenig vor. Ich hörte von Studierenden, dass das in der Vorklinik zwar auf dem Stundenplan steht - aber man muss das zeitlebens üben. Ich wünsche mir, dass das ein verpflichtender, regelmäßiger Inhalt der Weiterbildung wird. Das können Kurse sein, wie jene, die für den Psychosomatik-Schein verlangt werden. Dazu gehören Rollenspiele, die gefilmt und analysiert werden – bezüglich Mimik, Körpersprache, Setting, Wortwahl. Und bei Bedarf werden Alternativen geübt. Wir Ärzte müssen auch lernen, offen über die eigenen Schwierigkeiten und Probleme zu sprechen. Unter Kollegen über Fehler oder Misslungenes zu sprechen, ist heute noch ziemlich verpönt.
 

Cover Adler Arzt-Patient.jpeg
Mehr zum Thema gelungene Arzt-Patienten-Kommunikation im Buch
"Wir müssen reden, Frau Doktor!" von Dr. med. Yael Adler, Droemer, 2020.

 

Ein durchschnittlicher Arzttermin dauert 7 Minuten. Wie kann da ein gutes Patientengespräch gelingen?

Wenn man in einem etwas längeren Erstkontakt eine gute Verbindung aufgebaut hat, gehen weitere Termine schneller. Gute Verbindung spart Zeit. Es gibt Tricks: Der Arzt sollte einen Stift in der Hand haben und die Therapie auf ein Papier aufzeichnen. Das Gespräch muss strukturiert sein. Aber es muss sich hier politisch etwas ändern – indem das Gespräch besser bezahlt wird. In Schweden hat der Arzt durchschnittlich 23 Minuten für seinen Patienten.

Was sollte die Ärztin im Patientengespräch unbedingt vermeiden?

Den dauernden konzentrierten Blick in den Computer! Ohne Augenkontakt läuft gar nichts. Der Arzt muss die Reaktion des Gegenübers sehen und mit dem Patienten auch mimisch kommunizieren und dabei erkennen, ob er seelisch gestresst ist, ob er versteht. Das sind wichtige anamnestische Informationen. Ein Ausweg wäre eine Dokumentationsassistenz – ein Aufwand, der am Ende wahrscheinlich sogar Geld sparen kann. Oder dass erst nach dem Gespräch geschrieben wird.

Was sind weitere "No-Gos" in der Arzt-Patienten-Kommunikation?

Dr. Adler:

Und was soll im Patientengespräch unbedingt gesagt und getan werden?

Den Patienten Hoffnung geben, egal wie die Nachricht ist. Immer aufzeigen, was man für ihn tun kann, selbst im letzten Moment noch. Und wenn es passt, hilft immer Humor, sowie auch Lob. Alle verbindenden Dinge sollte man aktiv praktizieren. Letztendlich sind das Skills, die man in jeder menschlichen Beziehung braucht.