Hirn-Implantate nutzen Elektroden, die direkt mit den neuronalen Netzwerken des Gehirns verbunden sind. Diese Schnittstellen bezeichnet man als Brain-Computer-Interfaces (BCI). Sie erfassen elektrische Aktivitäten und wandeln sie in digitale Signale um. Anwendungen dieser Technologie reichen von der Steuerung von Prothesen über die Behandlung von Bewegungsstörungen bis hin zur Entwicklung von Kommunikationshilfen. Oft passiert dies mittels Unterstützung durch Künstliche Intelligenz (KI).
Das Unternehmen Neuralink von Elon Musk berichtete im Sommer 2024 bereits über die zweite erfolgreiche Implantation im menschlichen Gehirn. Langfristig wird neben dem Medizinbereich jedoch auch eine kommerzielle Nutzung angestrebt, beispielsweise für Virtual-Reality-Spiele. Mit diesen Zielen wächst die Herausforderung, Datenschutz und auch sonstige rechtliche und ethische Standards auf höchstem Niveau zu gewährleisten.
Neuronale Daten können als Gesundheitsdaten qualifiziert werden und stellen damit eine besonders schützenswerte Kategorie personenbezogener Informationen nach Art. 9 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) dar. Sie können tiefgehende Einblicke in Charaktereigenschaften, emotionale Zustände oder Entscheidungsprozesse gewähren und müssen deshalb besonders sorgfältig behandelt werden.
Das bedeutet, dass von einer solchen Verarbeitung Betroffene ausdrücklich, freiwillig und informiert zustimmen müssen. Nach dem Grundsatz der Datenminimierung muss sich die Erhebung auf das absolut Notwendige beschränken. Dies ist bei kontinuierlicher Datengenerierung durch einen ununterbrochenen Gedankenstrom eine technische Herausforderung.
Zudem dürfen Daten nur für klar definierte, legitime Zwecke verwendet werden. In diesem Zusammenhang ist auch relevant, dass ab diesem Jahr die elektronische Patientenakte (ePA) für alle gesetzlich Versicherten eingeführt wird. Im Rahmen einer sekundären Nutzung ist hier auch vorgesehen, erhobene Daten für Forschungszwecke zu nutzen, was somit in Zukunft auch neuronale Daten betreffen könnte. Deshalb sollten Betroffene sich über einen möglichen Widerspruch gegen die ePA informieren. Eine spätere Nutzung der gewonnenen Daten für andere Zwecke, etwa zu Marketingzwecken, wäre zudem rechtlich problematisch.
Auch wenn sämtliche allgemeine Vorgaben des Datenschutzes eingehalten werden, birgt die Verknüpfung menschlicher Gehirne mit digitaler Technologie erhebliche Risiken. Im Fall von Hackerangriffen könnten nicht nur Daten ausgelesen, sondern auch neuronale Stimulationsprozesse beeinflusst werden, was direkte gesundheitliche Folgen haben könnte. Eine solche Gefahr geht über bisher bekannte IT-Sicherheitsrisiken weit hinaus.
Zudem könnten Unternehmen neuronale Daten für personalisierte Werbung oder Produktentwicklung nutzen. Da diese Daten direkt aus dem Gehirn ausgelesen werden, handelt es sich hierbei um einen schwerwiegenden Eingriff in einen der privatesten Bereiche des menschlichen Daseins. Hierdurch könnte die Privatsphäre der Betroffenen massiv beeinträchtigt werden, weshalb ein solcher Anwendungsfall allenfalls unter strengsten Vorgaben gerechtfertigt sein kann.
Neuronale Informationen könnten außerdem unzulässigerweise zu der Bewertung von Fähigkeiten oder psychischen Zuständen verwendet werden, was zu sozialer Stigmatisierung und Diskriminierung führen könnte.
Hinzu kommt die Gefahr von veralteten Technologien ohne ausreichenden Schutz. Wenn Implantate nach Ablauf gesetzlicher Fristen keine Sicherheitsupdates mehr erhalten, wächst das Sicherheitsrisiko enorm.
Um die Nutzung von Hirn-Implantaten sicher und datenschutzkonform zu gestalten, sind verschiedene Maßnahmen erforderlich. Hersteller sollten zunächst Verschlüsselung und sichere Speicherlösungen entwickeln, um eine Kompromittierung des Systems zu verhindern. Vermittlungsdatenbanken könnten als Puffer zwischen Patientinnen und Patienten und datenverarbeitenden Unternehmen dienen, sodass die Daten gesondert geschützt sind.
Gesetzgeber sollten zudem neue spezifische Regelungen verabschieden, die den Umgang mit neuronalen Daten klar definieren und Missbrauchspotentiale eindämmen. Dabei könnte auf bereits bestehenden Menschenrechten, wie der Gedankenfreiheit aufgebaut werden, wie Christoph Bublitz auf dem 38. Chaos Communications Congress am 30.12.2024 erklärte. Eine Schaffung „neuer Menschenrechte“ könne zu einer Aushöhlung der bereits bestehenden Schutzmechanismen führen.
Zudem könnten interdisziplinäre Gremien wie Ethikkommissionen dazu beitragen, die Vereinbarkeit von Technologie und ethischen Standards zu gewährleisten. Letztlich sollte es auch international einheitliche Datenschutzstandards und Abkommen geben, da Hirn-Implantate global entwickelt und vermarktet werden.
Hirn-Implantate wie Neuralink stellen eine bedeutende Innovation dar, die das Potenzial hat, die Medizin nachhaltig zu verändern. Doch ihr Einsatz erfordert ein hohes Maß an Verantwortung. Datenschutzrechtliche Vorgaben und ethische Prinzipien müssen Hand in Hand angegangen werden, um den Schutz der sensiblen neuronalen Daten zu gewährleisten. Nur so können die Chancen dieser bahnbrechenden Technologie genutzt werden, ohne fundamentale Rechte und Freiheiten zu gefährden. Für Entwickler solcher Technologien und medizinisches Fachpersonal, die mit diesen potenziell später arbeiten werden, ist es essentiell, diese Aspekte zu verstehen und in der Praxis zu berücksichtigen.
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