Die jüngsten Beitragssteigerungen in der Kranken- und Pflegeversicherung bringen nach Auffassung des vdek die Versicherten an ihre Belastungsgrenze und schwächen das Vertrauen der Menschen in die sozialen Sicherungssysteme. Ohne gesetzgeberische Eingriffe werde sich die Ausgabendynamik fortsetzen und spätestens in einem Jahr weitere Beitragssteigerungen verursachen.
Binnen zehn Jahren, so der Verbandsvorsitzende Udo Klemens, sei der Beitragssatz von 15,4 auf 17,5 in der GKV gestiegen, die Pro-Kopf-Ausgaben nahmen 2850 auf 3900 Euro (plus 37 Prozent) zu. Es gebe ein „massives Effizienz- und Ausgabenproblem“. Ursächlich seien nicht neue Leistungen, sondern im Wesentlichen vom Gesetzgeber zugestandene Preiserhöhungen. Augenfälliges Beispiel dafür seien die Krankenhäuser mit GKV-Ausgaben von 100 Milliarden Euro, die Arzneimittelausgaben von 55 Milliarden Euro und die Abschaffung von Ausschreibungen bei Heilmittel mit der Folge von Preiserhöhungen etwa für Tens-Geräte zum Muskelaufbau von rund 200 Prozent.
Andererseits versage der Staat die Refinanzierung versicherungsfremder Leistungen, etwa für Bürgergeldempfänger, Ausbildungskosten der Pflege oder Kinderkrankengeld. Betrug der Anteil des Bundeszuschusses an den GKV-Gesamtausgaben 2015 noch 9,1 Prozent, liege er derzeit bei nur noch 4,2 Prozent. Finanzierungszusagen würden nicht nur nicht eingehalten, sondern neue Belastungen insbesondere durch den Transformationsfonds draufgesattelt.
Notwendig sei daher ein „Sofort-Gesetz“ zu Beginn der neuen Legislaturperiode:
Darüber hinaus seien frühzeitig Reformen für einen besseren und gezielteren Zugang zur Versorgung – Arzttermine und Notfallversorgung – notwendig, so die hauptamtliche Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner. Trotz höherer Ausgaben gebe es nach wie vor Wartezeiten auf Facharzttermine und in ländlichen Regionen auch beim Zugang zu Hausärzten.
Anders als große Teile der Ärzteschaft stellt sich der vdek jedoch kein reines Hausarztsystem dar, sondern möchte auch Fachärzte beteiligt sehen. Eine weitere Option seien telemedizinische Angebote, die von Ärzten und nicht von kommerziellen Anbietern betrieben werden sollten. Bei der Entwicklung solcher Modelle sollten Ärzte und Kassen kooperieren und Verträge dazu abschließen, für die es einen gesetzlichen Rahmen geben müsse.
Darüber hinaus müsse – nach zwei gescheiterten Anläufen – dringend die Reform der Notfallversorgung gelingen. Dies müsse kombiniert werden mit einer Neustrukturierung der Rettungsdienste. Die Ausgaben dafür hätten sich binnen zehn Jahren auf mehr als 6,8 Milliarden Euro (2023) verdoppelt, allein in den ersten drei Quartal 2024 stiegen die Kosten um mehr als zehn Prozent. Es gebe zu viele Leitstellen mit zu wenig Kompetenzen. Vorbild könne Berlin sein mit einer zentralen Leitstelle, die alle Rettungsmittel koordiniert. Diese Leitstellen müssten wie in Österreich zu Gesundheitsleitstellen ausgebaut werden, die Patienten in ärztliche, psychische oder pflegerische Versorgungsangebote leiten können.
Vor dem Hintergrund der starken Preisdynamik bei neu eingeführten Arzneimitteln – von 900 Euro je Packung im Jahr 2011 auf 53.000 Euro im Jahr 2023 – müssten völlig neue Lösungen erarbeitet werden. Der vdek schlage vor, ähnlich wie in Frankreich, Belgien und den Niederlanden ein „Fait-Pricing-Modell“ einzuführen, bei dem sich die Preise an den zurechenbaren Forschungskosten und einem angemessenen Gewinnaufschlag orientierten.