Neues aus der Praxis: CED und VTE – Wie antikoagulieren?

Eine junge Patientin mit Morbus Crohn und akuter tiefer Venenthrombose (TVT) soll antikoaguliert werden. NOACs sind eine mögliche Option, doch ihr erhöhtes gastrointestinales Blutungsrisiko stellt eine Herausforderung dar. Wie also vorgehen? Wie lauten die Ergebnisse klinischer Studien und welche Empfehlungen geben die aktuellen Leitlinien?

Anhand eines fiktiven Patientinnenfalls möchten wir in dieser Artikelreihe auf eine besondere Situation in der klinischen Praxis eingehen und die Herangehensweise sowie mögliche leitliniengerechte Lösungen aufzeigen. Halten Sie in den nächsten Monaten Ausschau nach neuen Fällen!

Heute: „Die junge Frau mit Morbus Crohn und TVT“

Anamnese

Bei einer Ende 30-jährigen Patientin mit seit fünf Jahren bekanntem Morbus Crohn (MC) tritt eine schmerzhafte, geschwollene linke Wade auf, die ambulant abgeklärt wird. Sie leidet unter wiederkehrenden MC-Schüben mit Durchfällen und Gewichtsverlust und war zuletzt wegen eines schweren Schubs stationär, wo sie u. a. mit Steroiden behandelt wurde. Bei der Patientin wird eine tiefe Venenthrombose (TVT) im Bein diagnostiziert.

Welche Besonderheiten gilt es zu beachten?

Bei Patient:innen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED), wie MC und Colitis ulcerosa, ist das Risiko für venöse Thromboembolien (VTE) im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung um das 2- bis 3-Fache erhöht.3 Besonders gefährdet sind Patient:innen während eines aktiven Schubs, nach stationären Aufenthalten oder unter medikamentöser Therapie mit Corticosteroiden.3 Doch trotz des hohen VTE-Risikos erhalten viele CED-Patient:innen im Krankenhaus keine Thromboseprophylaxe – oft aus Sorge vor gastrointestinalen Blutungen.3 Auch in unserem Fall führte diese Zurückhaltung dazu, dass die CED-Patientin ohne VTE-Prophylaxe aus dem Krankenhaus entlassen wurde und daraufhin eine TVT entwickelte.

Ist Apixaban bei CED & VTE eine gute Wahl?

Fachgesellschaften empfehlen Nicht-Vitamin-K-abhängige orale Antikoagulanzien (NOACs) bevorzugt gegenüber einem Vitamin-K-Antagonisten (VKA) für alle VTE-Patient:innen, die für ein NOAC in Frage kommen.4, 5 Viele Ärzt:innen haben bei CED-Patient:innen jedoch Angst vor Blutungskomplikationen.3 In der NOAC-Zulassungsstudie AMPLIFY überzeugte das NOAC Apixaban jedoch bei erwachsenen VTE-Patient:innen gegenüber Enoxaparin/Warfarin bereits in der initialen Hochrisikophase mit einer vergleichbar starken Wirksamkeit bei deutlich weniger schweren sowie schweren/ klinisch relevanten nicht schwere (CRNM-) Blutungen (Nähere Informationen siehe Akkordeon).6, 7

Die klinische Studie AMPLIFY

In der doppelblinden, randomisierten Zulassungsstudie AMPLIFY6 zur sechsmonatigen VTE-Behandlung erwachsener Patient:innen zeigte Apixaban im Vergleich mit Enoxaparin/Warfarin

Schwere gastrointestinale Blutungen traten nur bei sieben Patient:innen (0,3 %) der Apixaban-Gruppe auf versus 18 Patient:innen (0,7 %) in der Gruppe, die die konventionelle Therapie erhielt.6

In einer präspezifizierten Zeitverlaufsanalyse der AMPLIFY-Studie traten bereits in der initialen Therapiephase (Tag 1–7) trotz hoher Dosierung (10 mg 2x täglich) 81 %* weniger schwere Blutungen unter Apixaban vs. Enoxaparin/Warfarin auf (relatives Risiko: RR = 0,19; 95 %-KI: 0,06–0,65; Abb. 1).7 Der Sicherheitsvorteil blieb während der gesamten Studiendauer erhalten.6, 7


Abb. 1: Schwere Blutungen nach 7, 21 und 90 Tagen und während der 6-monatigen Behandlungsdauer. Modifiziert nach Raskob et al.7; KI: Konfidenzintervall, RR: relatives Risiko

Was sagen die Leitlinien?

Die 2023 aktualisierte AWMF-S2k-Leitlinie gibt folgende Behandlungsempfehlungen bei VTE:4

  1. Initiale Therapie
    • Sofortige Antikoagulation, bevorzugt mit einem NOAC wie Apixaban (2 x 10 mg tägl. für 7 Tage)§ oder Rivaroxaban (2 x 15 mg tägl. für 21 Tage).
  2. Weitere Behandlung (für mind. 3-6 Monate)
    • Fortsetzung der Therapie mit NOACs wie Apixaban (2 x 5 mg tägl.)§, Rivaroxaban (1 x 20 mg tägl.), Dabigatran (2 x 150 mg tägl.) oder Edoxaban (1 x 60 mg tägl.).
  3. Verlängerte Rezidivprophylaxe (nach 6 Monaten)
    • Da CED zu den persistierenden schwachen Risikofaktoren zählt, sollte nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung ein Fortsetzen der Antikoagulation in Betracht gezogen werden, z. B. mit Apixaban in reduzierter Dosis (2 x 2,5 mg tägl.)§, Rivaroxaban (1 x 20 mg tägl. oder 1 x 10 mg tägl.), Dabigatran (2 x 150 mg tägl.) oder Edoxaban (1 x 60 mg tägl.).

Weitere wichtige Informationen zur AWMF-S2k-Leitlinie haben wir für Sie in diesem Beitrag aufbereitet!

Wie gehen wir in unserem Fall vor?

Unsere Morbus-Chron-Patientin erhält initial Apixaban 10 mg 2 x tägl. für 7 Tage, anschließend 5 mg 2 x tägl..§ Trotz starken Gewichtsverlusts infolge starker Durchfälle wird die Dosis unverändert beibehalten, da für Apixaban keine Dosisreduktionskriterien für die VTE-Behandlung erwachsener Patient:innen existieren.8,** Die Patientin kann weiterhin wie gewohnt morgens und abends jeweils eine Tablette (5 mg Apixaban) mahlzeitenunabhängig einnehmen. Nach 6-monatiger VTE-Behandlung wird für die verlängerte Rezidivprophylaxe Apixaban mit 2 × 2,5 mg tägl.verordnet.8, §

Testen Sie Ihr Wissen über die Dosierung von Apixaban bei erwachsenen VTE-Patient:innen mit diesem kurzweiligen Edutainment-Beitrag!

Praxistipps für die Behandlung von CED-Patient:innen

Thromboserisiko nicht unterschätzen

Apixaban als Therapieoption in Betracht ziehen

Langfristig antikoagulieren

Relative Risikoreduktion
Apixaban (ELIQUIS®) ist zugelassen zur Behandlung von tiefen Venenthrombosen (TVT) und Lungenembolien (LE) sowie Prophylaxe von rezidivierenden TVT und LE bei Erwachsenen sowie zur Behandlung venöser Thromboembolien (VTE).
§ Bei Erwachsenen beträgt die empfohlene orale Dosis von ELIQUIS® zur Behandlung einer akuten tiefen Venenthrombose (TVT) und von Lungenembolien (LE) initial 10 mg 2x täglich über einen Zeitraum von 7 Tagen gefolgt von 5 mg 2x täglich. Zur Prophylaxe von rezidivierenden TVT und LE bei Erwachsenen beträgt die empfohlene orale Dosis 2,5 mg 2x täglich.
** Bei Erwachsenen mit VTE und einer Kreatinin-Clearance (CrCl) von 15–29 ml/min ist ELIQUIS® nur mit entsprechender Vorsicht einzusetzen, bei einer CrCl < 15 ml/min oder dialysepflichtigen Patient:innen wird ELIQUIS® nicht empfohlen.8

VTE: venöse Thromboembolie (tiefe Venenthrombose (TVT) und/oder Lungenembolie (LE))

Referenzen

  1. Kappelman MD et al. Thromboembolic risk among Danish children and adults with inflammatory bowel diseases: a population-based nationwide study. Gut 2011; 60(7):937–43.
  2. Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Gastroenterologie - Herausforderungen und Chancen für die Zukunft: Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes, der Leber und der Bauchspeicheldrüse; 2024 [eingesehen am 05.03.25]. Available from: URL: https://www.dgvs.de/wp-content/uploads/2024/06/Leaflet-Weissbuch-2024_final.pdf.
  3. Cheng K, Faye AS. Venous thromboembolism in inflammatory bowel disease. WJG 2020; 26(12):1231–41.
  4. Dt. Gesellschaft für Angiologie – Gesellschaft für Gefäßmedizin. AWMF S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und der Lungenembolie. Stand: 2023. AWMF Registernummer 065 – 002 - gültig bis 13.02.2028. Available from: URL: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/065-002.
  5. Stevens SM et al. Antithrombotic Therapy for VTE Disease: Second Update of the CHEST Guideline and Expert Panel Report - Executive Summary. Chest 2021; 160(6):2247–59.
  6. Agnelli G et al. Oral apixaban for the treatment of acute venous thromboembolism. N Engl J Med 2013; 369(9):799–808.
  7. Raskob GE et al. Early time courses of recurrent thromboembolism and bleeding during apixaban or enoxaparin/warfarin therapy. A sub-analysis of the AMPLIFY trial. Thromb Haemost 2016; 115(4):809–16.
  8. Fachinformation ELIQUIS® 2,5 mg; 5 mg; aktueller Stand.