Die grundlegende Idee der Krankenhausreform, durch eine bessere Strukturierung und Konzentration die Versorgung qualitativ zu verbessern und mit Vorhaltepauschalen das DRG-System und die Ökonomisierung zu überwinden, wird von der Deutschen Diabetes Gesellschaft begrüßt, so Kongresspräsident Professor Andreas Fritsche (Tübingen). Ob die bis jetzt sichtbaren Reformen insbesondere im Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz diesen Zielen gerecht werden, ist seiner Einschätzung nach unsicher.
Positiv hob Fritsche hervor, dass die ursprünglich geplanten Level mit den gestuften Zertifizierungen der DDG für Kliniken kongruent waren. Noch offen sei allerdings, ob diese Zertifizierungen auch als Qualitätsmerkmal im neuen Krankenhausatlas nach dem Transparenzgesetz enthalten sind. Offiziell wird der Atlas am kommenden Freitag von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vorgestellt. Gut sei auf jeden Fall, dass Diabetes als eigenständige Leistungsgruppe eingestuft sei. Richtig sei auch das Ziel einer starken Ambulantisierung – denkbar sei aber, dass künftig Level 1i-Kliniken einen scharfen Wettbewerb mit diabetologischen Schwerpunktpraxen auslösen könnten.
Die Realisierung von drei Forderungen der DDG seien zentral: die Strukturierung der Versorgung, der Schutz vulnerabler Patientengruppen und eine gesicherte Finanzierung, insbesondere auch der Weiterbildung.
In der wohnortnahen stationären Versorgung, die künftig Level 1i-Kliniken übernehmen sollen, existiere gar keine diabetologische Expertise, so Dr. Antje Weichert, niedergelassene Diabetologin im Diabetes-Zentrum Magdeburg. Diese Einrichtungen, die auch von einer qualifizierten Pflegekraft geleitet werden können, seien eine "Mischung aus Krankenhaus, Pflegeheim und MVZ". Denkbar sei eine diabetologische Versorgung durch Kooperation mit einem niedergelassenen Diabetologen, der künftig als "Hybridarzt" sowohl ambulant wie auch stationär behandeln könne. Dazu soll auch das Belegarztsystem ausgebaut werden.
Gleichwohl könnten gerade diabetologische Schwerpunktpraxen als Rückgrat der ambulanten Versorgung künftig gefährdet werden. Ein Grund sei, so Weichert, dass Diabetologen als fallführende Hausärzte der Verlust der Versicherten- und Chronikerpauschale drohe, weil die geplante Entbudgetierung für die hausärztliche Versorgung an neue Bedingungen geknüpft werde, die von Diabetologen nicht erfüllt werden.
Hinzu komme eine "bedingungslose Öffnung von Level 1-i-Krankenhäusen für die ambulante hausärztliche Versorgung und ohne (drohende) Unterversorgung". Das ermögliche den Krankenhäusern durch Institutsambulanzen Rosinenpickerei in der ambulanten Versorgung ohne gesicherte Facharzt-Qualifikation. Hingegen verbleibe die aufwendige ambulante Betreuung multimorbider und geriatrischer Diabetes-Patienten einschließlich der Hausbesuchstätigkeit niedergelassenen Diabetologen überlassen. Es finde keine Förderung und Finanzierung der Koordinierungs- und Fallmanagement-Aufgaben einschließlich telemedizinischer Betreuung in sektorenübergreifenden Einrichtungen statt.
Vor dem Hintergrund von 450.000 Neuerkrankungen pro Jahr komme der Nachwuchssicherung eine essentielle Bedeutung für eine auch in Zukunft gesicherte qualifizierte Versorgung zu, so der Assistenzarzt Dr. Jonas Laser. Die nun vorliegenden Gesetzespläne würden dieser Herausforderung allerdings nicht gerecht. Die geplante zentrale Rolle der Level 1i-Krankenhäuser als Ort der allgemeinmedizinischen Weiterbildung lasse einerseits alle anderen Fachgruppen außer Betracht, und die Behandlungssituation eines Krankenhauses entspreche auch nicht unbedingt dem Setting chronisch kranker Patienten in der kontinuierlichen ambulanten Versorgung.
Die fachärztliche Weiterbildung werde daher primär an den stark konzentrierten Level 2- und 3-Standorten stattfinden, insbesondere Universitäten dürften daher weiter an Attraktivität für die Weiterbildung werden. Das führe zu einer weiteren Konzentration auf Großstädte und Ballungsgebiete als Standorte der zukünftigen Berufsausübung von Fachärzten – die Landflucht sei also programmiert.
Aus Sicht eines Arztes in Weiterbildung müsse daher gefordert werden, so Laser, dass diabetologische Fachkompetenz an jedem Krankenhaus vorhanden ist, dass der spezifische zusätzliche Aufwand für die Weiterbildung auch in der Personalbemessung und deren Finanzierung berücksichtigt wird und dass mehr Lehrstühle für Diabetologie geschaffen werden.
Überhaupt nicht in der Reform berücksichtigt seien nichtärztliche Gesundheitsberufe außerhalb der Pflege. Diabetes-Berater seien aber in der gesamten Diabetes-Versorgung eine essentielle Säule, so die Geschäftsführerin des Verbandes der Diabetesberatungs- und Schulungsberufe (VDBD), Dr. Gottlobe Fabich. Sie kritisierte, dass die bislang stattgefundene zweistündige Anhörung im Bundesgesundheitsministerium – dazu lagen 127 Stellungsnahmen von Verbänden vor – absolut unzureichend sei, um fakten und Argumente aufzunehmen. Die Forderung des VDBD: Diabetes-Beratung muss Bestandteil der Leistungsgruppe werden und sowohl ambulant als auch stationär sichergestellt sein; in der Praxis sollten telemedizinsicher Verfahren genutzt werden; die Kosten für die Diabetesberatung müssten in den Vorhaltepauschalen abgebildet sein.