Bereits jetzt hat sich der Zuschnitt von Krankenhausabteilungen aufgrund der Fortschritte in der Medizin so verändert, dass die Leistungen mancher internistischer Schwerpunkte wie Angiologie, Rheumatologie, Endokrinologie und Diabetologie fast vollständig aus der stationären Versorgung verdrängt und in die ambulante Medizin verlagert worden sind. Die Krankenhausreform könnte diesen Prozess beschleunigen – und das wird nach Auffassung des Berufsverbandes Deutscher Internisten dazu führen, dass Krankenhäuser ihr Stellenangebot für Ärzte in der Weiterbildung kürzen und auch weniger facharztspezifische Kompetenzen vermitteln können.
Nach Vorstellungen des Bundesgesundheitsministeriums sollen künftig Level 1i-Einrichtungen bevorzugte Orte der Weiterbildung ärztlichen Nachwuchses sein – für BDI-Präsidentin Christine Neumann-Grutzeck schwer vorstellbar, wenn diese Krankenhäuser der Grundversorgung nicht über Notaufnahmen verfügen und daher bei weitem nicht die Kompetenzen eines Fachgebietes abzudecken in der Lage sind.
Tatsache ist: Zunehmende Teile der fachärztlichen Weiterbildung – und das gilt wahrscheinlich für alle Disziplinen – werden künftig in die ambulante Versorgung verlagert. Die Herausforderungen für Ärztekammern und Kassenärztliche Vereinigungen, aber auch für die Praxen selbst, werden erheblich sein.
Nach Auffassung des Präsidenten der Landesärztekammer Schleswig-Holstein, wäre es sinnvoll, die Weiterbildungsinhalte daraufhin zu überprüfen, ob sie zum Erwerb der Facharztqualifikation zwingend erforderlich sind und welche derzeit geforderten Kompetenzen zu späteren Zeiten als schon anerkannter Facharzt zusätzlich erworben werden können. Das könnte einerseits die Weiterbildungskapazitäten erhöhen. Darüber hinaus wäre es möglich, derzeit überlange Weiterbildungszeiten zu verkürzen – ein Aspekt, der angesichts der zunehmend in Teilzeit arbeitenden jungen Ärztinnen und Ärzte von wachsender Bedeutung ist.
Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass künftig auch für die fachärztliche Weiterbildung Verbünde organisiert werden müssen, ein System, das sich in der Allgemeinmedizin bewährt hat. Kaum ein junger angehender Facharzt wird damit rechnen können, seine Weiterbildung auf einer einzigen Stelle zu absolvieren, weil weder in Kliniken noch in Praxen die insgesamt für eine Disziplin erforderlichen Kompetenzen erworben werden können. Der organisatorische Aufwand wird jedenfalls steigen – notwendigerweise wird damit auch die Bürokratie zunehmen.
Das wohl strittigste Thema dürfte die Finanzierung sein. Tatsache ist, dass die existierende Budgetierung des überwiegenden Teils fachärztlicher Leistungen, die mit der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung und für die Praxen in Regelleistungsvolumina abgebildet sind, nicht vollständig von den Kassen bezahlt werden. Zusätzliche Leistungen, die ein Assistent in Weiterbildung erbringt, gehen damit voll zu Lasten der Praxisinhaber und schmälern im geltenden Vergütungssystem deren Einkommen.
Zudem gilt – anders als in der stationären Versorgung – in der ambulanten Medizin der Facharzt-Standard. Kammerpräsident Herrmann gibt allerdings zu bedenken, ob sich dieser Standard unbedingt aufrechterhalten lässt. Immerhin sei zu bedenken, dass alle Ärzte mit Erteilung der Approbation auch die Berechtigung zur Ausübung der Heilkunde haben – auch Ärzte in Weiterbildung.
Krankenkassen, wie die AOK, halten sich mit Lösungsvorschlägen für die Finanzierung zurück. Dr. Sabine Richard, als Geschäftsführerin beim AOK-Bundesverband zuständig für die Versorgung, sieht in allererster Linie die Praxen selbst in der Verantwortung. Wenn diese sich als Unternehmen verstünden, dann sei auch zu erwarten, dass sie ausreichende Investitionen in die Nachwuchsförderung finanzieren. Dem halten jedoch Ärzte entgegen, dass sie nicht alle unternehmerischen Freiheiten haben – und vor allem auch nicht alle Leistungen von den Krankenkassen finanziert bekommen.
Genau dies wäre aus ärztlicher Sicht die günstigste Lösung: die Budgetierung in der vertragsärztlichen Versorgung nicht nur für Pädiater und Hausärzte (geplant), sondern auch für Fachärzte abzuschaffen. Aus Sicht von Dr. Bernhard Gibis, Dezernent Sicherstellung und Versorgung bei der KBV, das eleganteste Finanzierungsmodell: Wo Geld verdient werden kann, entstehen auch Chancen für Weiterbildungsstellen. Im Idealfall würde sich das Stellenangebot für den Nachwuchs nach der Einschätzung weiterbildender Ärzte hinsichtlich des zukünftigen Versorgungsbedarfs richten – ein marktwirtschaftliches Modell dezentraler Entscheidungen.
Eine denkbare Alternative wäre ein Fondsmodell, wobei entschieden werden müsste, von wem der Weiterbildungsfonds für Fachärzte finanziert werden soll. Für die Allgemeinmedizin mit insgesamt 7500 geförderten Stellen machen dies Kassen und KVen paritätisch, die Hälfte des Geldes steuern also die Vertragsärzte aus ihrem Honorar zu. Eine Aufstockung des Fonds um die Förderung der fachärztlichen Weiterbildung würde jedenfalls diesen Posten im Etat der KVen erheblich vergrößern.
Ein weiterer Nachteil: Über den Fonds würden die Kassen wahrscheinlich auch Anspruch auf Planung und Steuerung des zukünftigen Angebots fachärztlicher Strukturen erheben. Damit könnten neue Konfliktfelder entstehen.
Am Ende wird wohl der Gesetzgeber darüber entscheiden. So war es auch in der Allgemeinmedizin – und da war der Nachwuchsmangel schon manifest, bevor eine Lösung gefunden wurde.