Wochenrückblick Gesundheitspolitik: COVID-19-Übersterblichkeit abermals gestiegen

Im dritten Jahr der COVID-19-Pandemie ist im Vergleich zum Vorjahr die Übersterblichkeit in Deutschland abermals gestiegen, die Pflegeversicherung wird teurer: mehr aus KW 02 erfahren.

Auch 2022 hohe Übersterblichkeit durch COVID-19

Im dritten Jahr der COVID-19-Pandemie ist – trotz vorhandener Möglichkeiten der Impfprävention – im Vergleich zum Vorjahr die Übersterblichkeit in Deutschland abermals gestiegen. Nach Daten des Statistischen Bundesamtes starben 2022 1,06 Millionen Menschen in Deutschland, 3,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Übersterblichkeit lag im Vergleich zum Median der vier Jahre vor der Pandemie bei 88.500 Todesfällen. Überdurchschnittlich fiel die Übersterblichkeit im Unterschied zu den Vorjahren bei den Frauen aus; die Statistiker vermuten, dass Spätfolgen einer Corona-Infektion ursächlich sein könnten. Eine weitere Ursache für die über den Vorjahren liegende Mortalitätsrate sind Hitzewellen zwischen Juni und August vergangenen Jahres. Am ausgeprägtesten war dies in der 29. Kalenderwoche (zweite Julihälfte).  

BMG: Allgemeine Maskenpflicht endet am 2. Februar

Mit einer Änderung der Infektionsschutzverordnung soll die Maskenpflicht im öffentlichen Fernverkehr ab dem 2. Februar aufgehoben werden. Dies hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am 13.01. angekündigt. Man reagiere damit auf deutlich rückläufige Infektionszahlen – binnen eines Monats eine Halbierung auf derzeit 115/100.000 –, als deren Folge die Pandemie nun auch durch eigenverantwortliches Verhalten beherrschbar sei. Die Bevölkerung habe eine hohe Immunität aufgebaut; die die Bundesregierung beratenden Experten gingen davon aus, dass es nicht noch einmal zu einer starken Infektionswelle kommen werde.  Sowohl das Abwassermonitoring als auch die Hospitalisierung zeigten rückläufige Werte. Bereits zuvor hatten etliche Bundesländer die Maskenpflicht im Personennahverkehr aufgehoben; auch im Flugverkehr sind Masken trotz der üblichen Enge nicht mehr obligatorisch. Weiter bestehen bleibt die Maskenpflicht in Arztpraxen, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen.  

Lauterbach appelliert zugleich an die Bevölkerung, weiter in Innenräumen freiwillig Masken zu tragen, um sich und andere zu schützen. Noch immer sei COVID-19 eine in Teilen wenig erforschte Krankheit; so wisse man nicht, welche Risiken mit wiederholten Infektionen verbunden sind.

Lauterbach kündigt Beitragserhöhung für Pflege an

Nach den Krankenkassen wird nun auch die Pflegeversicherung teurer. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat daher in der vergangenen Woche eine Erhöhung der Beitragssätze für die soziale Pflegeversicherung angekündigt; sie liegen derzeit bei 3,05/3,4 Prozent. Notwendig wird die Beitragssatzerhöhung aufgrund eines Defizits von 2,2 Milliarden Euro im Jahr 2022; ferner ist die Liquiditätsreserve auf 5,7 Milliarden Euro gesunken, 1,2 Milliarden Euro unter dem Mindestsoll.  

Schon jetzt zahlen Versicherte, die die Beitragsbemessungsgrenze von 5.500 Euro erreicht haben, in der Spitze bis zu 1100 Euro für Medizin und Pflege pro Monat. 

Festbeträge für Kinderarzneien aufgehoben – Engpass-Probleme bleiben ungelöst

Auf Veranlassung des Bundesgesundheitsministeriums hat der GKV-Spitzenverband die Festbeträge für 180 generische Kinderarzneimittel ab dem 1. Februar für drei Monate aufgehoben. Der Branchenverband Pro Generika, aber auch der Verband der Ersatzkassen, sehen darin keine kausale Lösung des Engpass-Problems. Neben der akut gestiegenen Nachfrage aufgrund hoher Infektionszahlen in den vergangenen Monaten seien Lieferengpässe vor allem dadurch begründet, dass es zu wenige Hersteller gibt, die überhaupt noch für Kinder geeignete Arzneimittel produzieren. Eine dreimonatige Freigabe der Preise sei kein geeignetes Instrument, in Deutschland oder Europa Produktionsstätten aufzubauen. Die Ersatzkassen plädieren dafür, das existierende Frühwarnsystem auszubauen und die Industrie zu verpflichten, frühzeitig über zu erwartende Lieferengpässe zu informieren.   

ALM: Faktencheck zu Kosten der PCR-Tests

Der Akkreditierte Labore in der Medizin e. V. hat Medienberichten widersprochen, wonach die Preise für PCR-Tests, die Krankenkassen, insbesondere aber der Bund, weit überhöht gewesen sein sollen. Die isolierte Betrachtung besonders niedriger Kosten einzelner Reagenzienhersteller sei einseitig und lasse außer Acht, dass die Tests weder in ausreichender Zahl verfügbar noch für die Nutzung in automatisierten Hochdurchsatzgeräten einsetzbar gewesen seien. Eine sachgerechte Berechnung der Kosten müsse alle für eine PCR-Untersuchung notwendigen Produkte und Ressourcen berücksichtigen. Für eine Vollkostenanalyse sei es nicht ausreichend, die Preise einzelner Komponenten zu berücksichtigen. Dazu gehörten neben den Kosten für Reagenzien auch die für die Gerätesysteme, die gesetzlich vorgeschriebene Qualitätssicherung, Arbeitsschutzmaßnahmen, Datenmanagement und Abfallentsorgung. Dies haben der ALM e.V. dem Bundesgesundheitsministerium und den Krankenkassen transparent dargestellt.  

Pharma-Industrie erwartet Rezession

Nach teils fulminanten Umsatz- und Gewinnsteigerungen als Folge der Corona-Pandemie in den vergangenen drei Jahren erwartet die forschende Industrie in Deutschland in diesem Jahr eine Rezession. Die Produktion wird nach einer Prognose des Verbandes forschender Pharma-Unternehmen 2023 um 1,8 Prozent, der Umsatz sogar um 5 Prozent, nicht zuletzt aufgrund von Regelungen des GKVFinG, zurückgehen. Zugleich aber steigen die Kosten für chemische Vorprodukte sowie für Energie um 30 bis 40 Prozent, was die Gewinne erheblich schmälern wird. Die Folge seien weniger Investitionen, auch in Forschung und Entwicklung. Dies könne dazu führen, dass Deutschland an Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere im Vergleich zu China, verlieren werde. 

Personalien

Professor Dr. Lothar Wieler, seit 2015 Präsident des Robert Koch-Instituts, wird zum 1. April sein Amt niederlegen, um sich neuen Aufgaben in Forschung und Lehre zu widmen. Der Schritt sei im Einvernehmen mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach erfolgt. Die Amtsgeschäfte sollen zunächst durch Wielers Stellvertreter Professor Lars Schaade fortgeführt werden. Mit Blick auf die vergangenen drei Pandemiejahre sagte Wieler:

"Es war ein Privileg, in dieser Krise an exponierter Position zusammen mit einem motivierten Team hervorragender Expertinnen und Experten arbeiten zu dürfen. Sie haben der Forschung, dem Institut, aber vor allem dem Land einen großen Dienst erwiesen. Die Unabhängigkeit der Forschung muss auch zukünftig akzeptiert werden, damit das RKI seine Aufgaben erfüllen kann."

Bei der Bewältigung der Pandemie habe Wieler für das Land bleibende und herausragende Verdienste erworben, würdigte Lauterbach den scheidenden RKI-Präsidenten.

Alexander Badle, ehemaliger Oberstaatsanwalt in Frankfurt und prominentester Korruptionsermittler im Gesundheitswesen, muss sich seit dem 13.01. vor dem Landgericht Frankfurt wegen Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung strafrechtlich verantworten. Badle hatte zur Eingreifreserve der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt bei komplexen Ermittlungen in der Wirtschaftskriminalität gehört und sich auf Korruption im Gesundheitswesen spezialisiert. 2005 gründete er mit einem Schulfreund, der nun mit angeklagt ist, das Unternehmen "medi-transparent", um der Staatsanwaltschaft externe Hilfe für den komplexen Gesundheitssektor anzubieten. In seiner Funktion als Oberstaatsanwalt und Leiter der bundesweit ersten "Zentralstelle zur Bekämpfung von Vermögensstraftaten und Korruption im Gesundheitswesen" soll Badle diesem externen Dienstleister, also quasi sich selbst, Aufträge verschafft haben. Für den Prozess sind 22 Verhandlungstage anberaumt.