Die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser hat sich 2021 weiter verschlechtert, und ohne massive Reformen werden immer mehr Kliniken in die Existenzbedrohung geraten. Das ist das Fazit des am 15.06. publizierten Krankenhaus Rating Reports, den das RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen von 976 Krankenhäusern ausgewertet hat. Die wichtigsten Kennzahlen:
Unter unveränderten Rahmenbedingungen würden schon 18 Prozent der Kliniken in erhöhte Insolvenzgefahr geraten, in 2030 wären es 44 Prozent. Bei sinkendem Leistungsniveau als Folge der Ambulantisierung und wachsendem Personalmangel würde die Mehrzahl der Kliniken bereits 2024 in die Verlustzone geraten.
Die Autoren des Reports halten die Zielsetzung der in Arbeit befindlichen Krankenhausreform für richtig. Sie errechnen einen Bedarf von 1.200 Standorten (derzeit rund 1.700) mit etwa 316.000 Betten (derzeit 437.000 Betten). Grob geschätzt könnten fast 200 Standorte der Stufe 1 in ländlichen Regionen zusammengelegt werden, an 80 Standorten könnten 80 Kliniken der Levels 1 bis 3 entstehen. Bei Neubau wären dazu 18 Milliarden Euro Investitionsmittel erforderlich.
Vor dem Hintergrund der sich dramatisch verschlechternden Lage der Krankenhäuser hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft, die seit Monaten nach Milliarden-Subventionen ruft, für den 20.06. einen Protesttag am Berliner Hauptbahnhof angekündigt.
Am 16.06. hat auch der Bundesrat das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz beschlossen. Es schafft für Pflegebedürftige und deren Angehörige mit erheblichem Verzug - meist erst 2024 oder 2025 – eine teilweise Entlastung auch inflationsbedingt steigender Aufwendungen. So steigen das Pflegegeld für häusliche Pflege und Entgelte für ambulante Sachleistungen ab dem 1. Januar 2024 um 5 Prozent. Ab dem 1. Juli 2025 (also erst in zwei Jahren!) werden Leistungen für Verhinderungs- und Kurzzeitpflege – insgesamt 3539 Euro- zusammengeführt und können flexibel in Anspruch genommen werden. Für Familien mit pflegebedürftigen Kindern der hohen Pflegegrade 4 und 5 gilt dies schon ab Januar 2024. Ab Januar 2024 steigen die Zuschläge bei vollstationärer Heimversorgung von 5 auf 15 Prozent in den ersten zwölf Monaten Verweildauer und bei längerer Verweildauer jeweils um 5 Prozentpunkte. Ab 2025 – also in zweieinhalb Jahren – sollen Geld- und Sachleistungen automatisch dynamisiert werden und so die Inflation ausgleichen. Noch offen ist, wie das finanziert werden soll.
Zugleich sollen die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Leiharbeit soll von den Pflegekassen künftig nur noch in Höhe der Tariflöhne refinanziert werden. Es wird ein Kompetenzzentrum Digitalisierung und Pflege eingerichtet. Das Förderprogramm für digitale und technische Anschaffungen mit einem Volumen von 300 Millionen Euro wird um neue Fördertatbestände erweitert und bis zum Ende des Jahrzehnts fortgeführt.
Um die Maßnahmen zu finanzieren, wird der Beitragssatz zum 1. Juli 2023 um 0,35 Prozent (Versicherte mit einem Kind) angehoben; das erbringt Mehreinnahmen von 6,6 Milliarden Euro. Die Belastung der Versicherten wird entsprechend einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts stark nach der Anzahl der Kinder gespreizt: Der Arbeitgeberanteil liegt konstant bei 1,7 Prozent, sodass der Versichertenbeitragssatz zwischen 2,3 Prozent (ohne Kinder) und 0,7 Prozent (ab dem 5. Kind) variiert.
Der Bundesrat hat am Freitag einen Entschließungsantrag für ein MVZ-Regulierungsgesetz verabschiedet, mit dem die Gründung von Investoren-getragenen Medizinischen Versorgungszentren erheblich erschwert werden soll. Ferner werden darin neue Transparenzvorschriften gefordert, mit denen die Eigentümerstruktur, aber auch das Leistungsgeschehen transparenter gemacht werden sollen. Während die Spitzenorganisationen der Zahnärzte (Kammern und KZVen) sowie ein Teil der Ärzteschaft die Initiative begrüßten, warnten der Bundesverband der Betreiber medizinischer Versorgungszentren sowie der Verein der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM) vor negativen Auswirkungen auf die Versorgung. 41 Prozent der Haus- und Fachärzte in der ambulanten Versorgung seien über 60 Jahr alt; sie fänden immer häufiger keinen Nachfolger für ihre Praxis. iMVZ seien daher als mögliche Alternative zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung notwendig. Gegen Investitionsbeschränkungen gebe es außerdem erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken.
Auf Basis einer Auswertung von 26 aktuellen wissenschaftlichen Leitlinien hat der Gemeinsame Bundesausschuss das Disease-Management-Programm Brustkrebs – daran nehmen aktuell rund 172.000 Patientinnen teil – novelliert. Dier wichtigsten Änderungen: Die Empfehlungen für eine Mastektomie wurden angepasst, auch eine brusterhaltende Therapie kann erwogen werden; die Empfehlungen zur operativen Entfernung der Lymphknoten im Achselbereich wurden differenziert und konkretisiert; die Empfehlungen für eine Chemotherapie nach einer operativen Intervention wurde in Abhängigkeit vom Subtyp des Tumors differenziert; dabei können auch Tumormarker-Tests eingesetzt werden; die Intervalle für Nachsorgeuntersuchungen wurden entsprechend neuen Leitlinien ausdifferenziert. Geprüft wurde auch, ob es geeignete digitale Anwendungen gibt, für die das DMP empfohlen werden können. Dazu ist für die App „PINK! Coach“ eine Evaluationsstudie in Planung.