Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern haben sich nicht, wie ursprünglich geplant, am 29. Juni auf Eckpunkte als Grundlage für ein Gesetz zur Krankenhausreform verständigen können. Jetzt soll eine abschließende Runde am 10. Juli unter Beteiligung der gesundheitspolitischen Sprecher der Bundestags-Fraktionen den angestrebten Kompromiss bringen, wie die Minister Karl Lauterbach (SPD) und Manfred Lucha (Baden-Württemberg, Grüne) am 29.06. ankündigten.
Beide Minister betonten aber, in den Verhandlungen Annäherungen erzielt zu haben. Das gelte etwa für die technisch komplexe Berechnung der leistungsspezifischen Vorhaltepauschalen, die Kliniken künftig fallzahlunabhängig erhalten sollen. Annäherungen habe es auch bei der Definition der Leistungsgruppen und der dafür notwendigen Qualitätsanforderungen gegeben. Einigkeit bestehe auch darin, dass Krankenhäuser des Levels 1i als sektorenübergreifende Gesundheitszentren organisiert und entsprechend den jeweiligen örtlichen Notwendigkeiten ausgestattet sein sollen. Während der Bundesgesetzgeber, wie Lauterbach betonte, weiterhin mit dem Level-Konzept arbeiten werde, wollen die Länder dies in ihrer konkreten Planung nicht so umsetzen. Begründung laut Lucha: In der Öffentlichkeit werde dies missverstanden, ein niedriges Level werde mit geringer Qualität assoziiert. Das wolle man von vornherein vermeiden.
Genau dieses Missverständnis wird aber von Medien kommuniziert: Erst am Wochenende berichtete ZDF online, mit der Reform würden "drei Qualitätslevel" eingeführt. Genau dies ist falsch. Die Levels stehen nicht in einem Zusammenhang mit der Qualität, sondern dem Ausmaß des Leistungsumfangs, der Spezialisierung (beispielsweise auch auf seltene Krankheiten), des dafür vorzuhaltenden Personals und der technischen Ausrüstung für komplexe Leistungen.
Lauterbach bekräftigte seinen Plan, ab dem nächsten Jahr Qualitätsdaten der Krankenhäuser für jedermann transparent zu machen. Ferner würden Krankenhäuser, sofern sie die qualitativen Voraussetzungen für definierte Leistungsbereiche erfüllen, in den Genuss der neuen Vorhaltepauschalen kommen und davon wirtschaftlich profitieren können. Geld werde jedenfalls nicht mit der Gießkanne qualitätsunabhängig fließen.
Ein Vorschaltgesetz, wie es die Deutsche Krankenhausgesellschaft fordert, wird es aller Voraussicht nach nicht geben. Angesichts der Sparzwänge für den Bundeshalt sei das nicht möglich, so Lauterbach. Auch bei den Ländern seien die finanziellen Reserven knapp.
Das Bundesgesundheitsministerium hat Referentenentwürfe für zwei Gesetze zur Umsetzung der Digitalisierungsstrategie im Gesundheitswesen vorgelegt. Das Digitalgesetz wird die medizinische Versorgung für Ärzte und Patienten spürbar verändern. Hier die wichtigsten Projekte:
Die Kassen werden verpflichtet, allen Versicherten ab dem 15. Januar 2025 eine elektronische Patientenakte zur Verfügung zu stellen. Die Funktionen sind priorisiert und werden sukzessive ausgebaut: Medikationsplan, Patientenkurzakte, Laborbefunde, Arztbriefe, Pflegedokumentation. Versicherte können die Nutzung durch eine Opt-Out-Entscheidung verweigern oder die Nutzungsrechte von Leistungserbringern einschränken.
Mengenbeschränkungen für die Videosprechstunde, wie sie derzeit noch gelten, werden abgeschafft. Die Selbstverwaltung erhält den Auftrag, Qualitätsvorgaben für die telemedizinische Versorgung zu entwickeln.
Ärzte müssen nach Inkrafttreten des Gesetzes ihrer KV gegenüber nachweisen, dass sie die Elemente des Gesetzes umsetzen können. Wer kein eRezept ausstellen kann, muss mit einer einprozentigen Honorarkürzung rechnen. Das eRezept wird ab Januar 2024 verbindlich. Angesichts der kurzen Zeit bis dahin hat die KBV Zweifel, ob die notwendige Technik praxistauglich ist.
Bei DiGA soll die Preisgestaltung stärker am Erfolg des Einsatzes ausgerichtet sein. Für beim BfArM gelistete DiGA müssen anwendungsbegleitend Erfolgsmessungen durchgeführt und deren Ergebnisse für Ärzte transparent gemacht werden. Patienten sollen die Möglichkeit haben, DiGA probeweise für 14 Tage zu nutzen und bei Nichterfolg zurückzugeben; dann entfällt die Vergütung. Der Einsatz von DiGA höherer Risikoklassen soll möglich werden.
Schrittweise sollen auch Disease Management-Programme digitalisiert werden. Im ersten Schritt soll dies für das DMP Diabetes gelten, das mit über vier Millionen eingeschriebenen Patienten das größte Behandlungsprogramm ist.
Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz macht anonymisierte Gesundheitsdaten – etwa aus der ePA oder aus Registern – für medizinische Forschung aller Forschungseinrichtungen, auch solchen der Industrie, zugänglich. Patienten haben das Recht, dem zu widersprechen oder Nutzungsrechte einzuschränken. Darüber müssen die Krankenkassen informieren. Die Praxis des Datenschutzes wird vereinfacht, indem die Genehmigung – etwa klinischer Studien – dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz übertragen wird. Der Zugang zu anonymisierten Gesundheitsdaten wird über eine beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte einzurichtende Koordinierungsstelle ermöglicht.
Angesichts einer signifikanten Übersterblichkeit in Folge von länger dauernden Hitzeperioden wollen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und Umweltministerin Steffi Lemke nach dem Vorbild Frankreichs einen Nationalen Hitzeplan in Gang setzen. Einige Maßnahmen dazu sollen kurzfristig schon in diesem Sommer umgesetzt werden. Grundlage ist ein Impulspapier, das Pflegeheimen, Krankenhäusern und Kommunen Konzepte zum Hitzeschutz darstellt. Auch Ärzte sollen gefährdete Patienten anlassbezogen warnen. Bereits gestartet ist eine bessere Folgeneinschätzung von Hitzewellen: Seit kurzem veröffentlicht das RKI einen wöchentlichen Hitzeradar unter www.rki.de/hitzemortalitaet, mit dem Übersterblichkeit in Relation zu steigenden Temperaturen gesetzt wird. Kurz vor der Veröffentlichung steht eine vom BMG geförderte Website der LMU München, auf der Städten und Gemeinden praxisnahe Tipps für Hitzeaktionspläne gegeben werden.
Sowohl absolut als auch relativ hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bei den Verhandlungen um den Bundesetat 2024 die größten Abstriche in den Verhandlungen mit dem Bundesfinanzministerium hinnehmen müssen. Ursprünglich beanspruchte Lauterbach, wie "Der Spiegel" in seiner jüngsten Ausgabe berichtet, 26,6 Milliarden Euro, tatsächlich bekommen wird er laut Kabinettsentwurf für den Bundesetat 16,2 Milliarden Euro, eine Differenz von 10,4 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Sein Kabinettskollege Hubertus Heil (Arbeit und Soziales) muss nur auf 2,9 Milliarden Euro verzichten – bei einem Budget von 169,3 Milliarden Euro. Fast ungerupft kamen die Ressorts Justiz, Umwelt und das Kanzleramt durch den Budgetpoker.