Etwa jede zweite Intensivstation muss derzeit ihren Betrieb einschränken. Ursächlich sind der hohe Krankenstand der Mitarbeiter in Krankenhäusern auch als Folge von Corona-Infektionen sowie urlaubsbedingte Fehlzeiten. Nach Angaben des Präsidenten der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Professor Gernot Marx, sind 55 Prozent der 736 Intensivstationen betroffen.
"Das ist leider eine sehr hohe Zahl, die wir sonst nur in der kalten Jahreszeit und bei einer höheren COVID-Belastung gesehen haben."
Professor Gernot Marx
Laut Divi-Tagesreport von 08.07. werden aktuell 1.072 Patienten intensivmedizinisch behandelt, doppelt so viele wie zur gleichen Zeit im Vorjahr und fast viermal so viel wie im Sommer 2020. Als Folge des Personalmangels stehen 2.000 weniger betreibbare Intensivbetten im Vergleich zum Vorjahr zur Verfügung. Die Versorgung von Notfall- und lebensbedrohlich erkrankten Patienten sei gesichert, dagegen werden elektive Eingriffe verschoben.
Die Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung hat am 08.07. Empfehlungen für die Neuordnung des Vergütungssystems in der Pädiatrie, Kinderchirurgie und Geburtshilfe vorgelegt und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach übergeben. Der Koordinator der Kommission, Tom Bschorr, empfahl, kurzfristig den finanziellen Druck zu mildern; deshalb soll eine erste Reformstufe für die Vergütungssystematik schon Anfang 2023 wirksam werden. In der Geburtshilfe sei zusätzlich zu den abrechenbaren DRGs eine Unterstützung jener Einrichtungen erforderlich, die nur wenige Geburten bewältigen, die aber aus Versorgungsgründen erhalten bleiben sollten.
Für die Pädiatrie schlägt die Kommission vier Finanzierungsmodelle vor:
Über die Finanzierung der notwendige zusätzlichen Mittel soll nun im Rahmen der Bund-Länder-Gespräche Ende Juli oder Anfang August verhandelt werden. Dabei sehe sich der Bund nicht allein in der Pflicht, sagte Lauterbach. Er anerkannte ausdrücklich, dass in der stationären pädiatrischen Versorgung aufgrund des Abbaus von Kapazität die Not am größten sei.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat am 07.07. Eckpunkte für ein Gesetz über eine neue Bemessung der Pflegepersonalbesetzung in Krankenhäusern (PPR2) vorgestellt. Dies soll sicherstellen, dass Kliniken künftig so viele Pflegekräfte beschäftigen müssen, wie tatsächlich benötigt werden. Kliniken, die die Personalvorgaben nicht erfüllen, müssen ab 2025 mit Sanktionen rechnen. Künftig soll der Pflegebedarf je nach Schwere der Erkrankung in mehrere Stufen differenziert, für die jeweils Zeitwerte vorgegeben werden. Daraus soll sich ein objektivierbarer Pflegepersonalbedarf ableiten lassen. Nach ersten Berechnungen würde der Pflegebedarf, gerechnet in Zeit, um 8,1 Prozent steigen. Eine Erprobungsphase mit einer repräsentativ ausgewählten Zahl an Kliniken soll 2023 starten. Ab 2024 soll die Reform in vollem Umfang wirksam werden.
Nach einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung wären bis zu 300.000 ehemalige Mitarbeiter in der Pflege bereit, in ihren ursprünglichen Beruf zurückzukehren, wenn sich die Arbeitsbedingungen verbessern würden.
Die Stärkung der palliativmedizinischen Kompetenz von Ärzten und Pflegeberufen sowie der Ausbau interprofessioneller Zusammenarbeit und personellen Ressourcen sind Schlussfolgerungen aus dem Pflegereport 2022 des Wissenschaftlichen Instituts der Ortskrankenkassen, der sich in einem Schwerpunkt mit der Langzeitpflege und der Pflege am Lebensende befasst. Nach Auswertung von Versichertendaten der AOK verbringt jeder dritte Versicherte die letzte Phase seines Lebens in einem Altenheim. In den Jahren 2018 und 2019 wurden 56 Prozent der Menschen in den letzten zwölf Wochen vor ihrem Tod mindestens einmal in ein Krankenhaus verlegt – laut WIdO-Autoren, die aus der Pflegewissenschaft kommen, ein international hoher Wert. Die Hospitalisierung geht für die Betroffenen mit erheblichen Risiken einher: psychische Belastungen, kognitive Verschlechterungen, in der Klinik erworbene Infektionen, Stürze und Komplikationen durch Immobilisierung, die zu einem Verlust an Selbständigkeit führen.
Mehr als jede dritte Krankenhauseinweisung in den letzten zwölf Wochen vor dem Tod kann nach der Studie als potenziell vermeidbar klassifiziert werden. Dabei wurde die Häufigkeit von sogenannten Pflegeheim-sensitiven Krankenhausfällen analysiert. Anhaltspunkt dafür sind Herzinsuffizienz, Dehydration oder Harnwegsinfekte, die auch im Pflegeheim hätten behandelt werden können.
Nach einer Befragung von 550 Pflegefachpersonen entspricht die hohe Hospitalisierungsrate oft nicht den Wünschen den betroffenen pflegebedürftigen Menschen. Oft sei es der Druck Angehöriger, die sich durch eine Klinikeinweisung lebensverlängernde Maßnahmen erhoffen. Oft bringen die Standardformulierungen in Patientenverfügung auch nicht klar zum Ausdruck, was der Wille des Betroffenen ist.
Die Vertreter der deutschsprachigen Ärzteorganisationen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Südtirol, Luxemburg und Liechtenstein haben am Wochenende auf ihrer 67. Konsultativtagung eindringlich vor den medizinischen Folgen des Klimawandels gewarnt.
"Der Klimawandel stellt mit Hitzewellen, Extremwetterereignissen, neuen Infektionskrankheiten und den Folgen der Luftverschmutzung einen medizinischen Notfall dar."
Ohne einen gesunden Planeten werde es kein gesundes Leben geben. Es sei Pflicht der Ärzte, die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels darzulegen und Gegenmaßnahmen aktiv zu unterstützen. Klimaschutz müsse in alltägliches Handelns der ärztlichen Organisationen integriert werden. Das betreffe einerseits das Gesundheitswesen, das ressourcen- und emissionsintensiv sei. Andererseits müssten gesundheitliche Folgen des Klimawandels adäquat in die Aus-, Weiter- und Fortbildung von Ärzten integriert werden.