Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen hat der Bundestag am Donnerstag dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) nach kontroverser Debatte zugestimmt. Die umfassendste Reform der stationären Versorgung seit Einführung des DRG-Systems vor mehr als 20 Jahren ist höchst umstritten – Widerstand gibt es in den Ländern, die ihre Entscheidungsfreiheiten für eine hinreichend differenzierte Versorgung in der Fläche bedroht sehen. Im November wird der Bundesrat beraten und entscheiden, ob er, wie von Unions-geführten Ländern angekündigt, den Vermittlungsausschuss anruft. Das könnte die Reform verzögern, aber auch die Finanzierung der Kliniken im nächsten Jahr noch stärker gefährden. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach warnt deshalb vor einem unausweichlichen Kliniksterben im kommenden Jahr. Von den Ländern ist ferner abhängig, ob sie den aus dem Gesetz folgenden Detailregelungen zur Umsetzung der Reform zustimmen werden – erst dadurch wird die Reform tatsächlich wirksam. Die Entscheidungen dazu müssen in der ersten Jahreshälfte 2025 beschlossen werden.
Innerhalb des Gesundheitswesens trifft die Reform auf ein gespaltenes Echo. Grundsätzlich positiv bewerten die gesetzlichen Krankenkassen die Neuordnung der Finanzierung durch Vorhaltepauschalen, die neuen Qualitäts- und Ausstattungskriterien sowie stärkere Spezialisierung und Konzentration auf leistungsfähigere Krankenhäuser. Auf grundsätzliche Kritik stößt die Kofinanzierung des Transformationsfonds.
Ebenfalls positiv bewertet wird die Reform von den Unikliniken. Sie gehören zu den Gewinnern der Reform mit einer Aufwertung als Zentren mit koordinierender Funktion und besserer Vergütung. Die Reform dürfe jetzt nicht verwässert werden. Notwendig sei der Aufbau regionaler Netzwerke und die Gestaltung von Patientenpfaden, um die regionalen Versorgungskapazitäten optimal zu nutzen.
Die Bundesärztekammer (BÄK) begrüßt einige Veränderungen durch Ausschussbeschlüsse in der letzten Beratungsrunde. Das betrifft die Einführung einer Systematik für die ärztliche Personalbemessung, wie sie von der BÄK und dem Marburger Bund entwickelt worden ist, sowie die Berücksichtigung der Auswirkungen auf die ärztliche Weiterbildung. Bedenklich sei jedoch, dass das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) bislang keine Auswirkungsanalyse der Reform vorgelegt habe. Zur weiteren Ausgestaltung der Reform sei dringend ein Austausch von Bund, Ländern und Selbstverwaltung nötig.
Die Stiftung Sepsis sieht in der Reform eine Chance und begrüßt striktere Qualitätskriterien. In Deutschland sind jährlich 500.000 Menschen von einer Sepsis betroffen. Die Mortalitätsrate ist in Deutschland mit 30 Prozent doppelt so hoch wie in Schweden oder Australien. Zudem tragen drei Viertel der Betroffenen Langzeitschäden davon. Ein Großteil wäre vermeidbar, wenn ausreichend qualifiziertes Personal, insbesondere mit der Fähigkeit, eine Sepsis frühzeitig zu erkennen, zur Verfügung stehe. Die Einführung der Leistungsgruppen und der Qualitätskriterien dafür sei ein Beitrag, um die Versorgung zu verbessern.
Kritisch äußert sich der Bundesverband Geriatrie: Besonders im Bereich der Vorhaltefinanzierung seien demografiebedingte Fallzahlsteigerungen nicht sachgerecht abgebildet, da steigende Fallzahlen in geriatrischen Abteilungen sich nicht korrigierend auf das Vorhaltebudget des Krankenhauses auswirken. Das verknappe systematisch geriatrische Kapazitäten. Mängel sehen die Geriater auch bei der Bildung der Leistungsgruppen, nicht alle in Ausbildungsordnungen der Ärztekammern vorgesehenen Qualifikationen seien berücksichtigt. Diese Mängel müssten in Folgeentscheidungen bei der Umsetzung der Reform noch beseitigt werden.
Als verfehlt sieht der Berufsverband Deutscher Internisten die vorgesehene Öffnung der Ambulanzen und Institutsambulanzen für die ambulante haus- und fachärztliche Versorgung. Dies würde die Kliniken zusätzlich belasten und gleichzeitig die Sicherstellung der Versorgung durch niedergelassene Ärzte schwächen. Richtiger wäre es gewesen, spezialisierte Versorgung und Zentrenbildung zu fördern und effektiver mit der ambulanten Versorgung zu verzahnen.
Die Deutsche Diabetes Gesellschaft bemängelt, dass die Diabetologie nicht ausreichend in den Leistungsgruppen abgebildet ist. Eine ausreichend sichere Finanzierung, insbesondere der Weiterbildung, sei dazu notwendig. Dazu gehöre auch, dass die Zusatzbezeichnung „Diabetologe DDG“ als Qualitätskriterium in der Leistungsgruppe „Endokrinologie/Diabetologie“ aufgenommen werde. Angemahnt wird ferner ein ausreichendes Vergütungsniveau im Rahmen der Vorhaltefinanzierung für sprechende Medizin. Bislang sei dies in der Klinik-Diabetologie unterbewertet. Dies sei aber notwendig, damit die drei Millionen Krankenhauspatienten, die mit Diabetes jährlich stationär versorgt werden, adäquat behandelt werden.
Der Schätzerkreis beim Bundesamt für Soziale Sicherung prognostiziert für 2025 ein Defizit von 13,8 Milliarden Euro und hält es für erforderlich, dass der Zusatzbeitragssatz um durchschnittlich 0,7 Prozentpunkte auf dann 2,5 Prozent angehoben werden muss. Bei den meisten Krankenkassen sind inzwischen die bis zum Jahr 2000 angehäuften Finanzreserven aufgebraucht. Hingegen steigen die Ausgaben, insbesondere für Arzneimittel und stationäre Versorgung immer stärker. Ursächlich ist, dass das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) mit der Nutzenbewertung und der darauf basierenden Festlegung eines Erstattungsbetrages seit einiger Zeit seine kostendämpfende Wirkung verloren hat. Zugleich steigen die Kosten für den größten Versorgungssektor, die Krankenhäuser, überproportional: um sieben Prozent im letzten Jahr, um acht Prozent im ersten Halbjahr 2024. Aus Sicht des Bundesgesundheitsministeriums zeigt dies die Notwendigkeit struktureller Reformen.
Innerhalb von vier Jahren könnten 40 Millionen Menschenleben gerettet werden, wenn die Weltgesundheitsorganisation (WHO) technisch und operativ robust durch eine entsprechende Finanzierung aufgestellt würde. Als Vertreterin von 194 Ländern habe die WHO „eine einzigartige Reichweite und das Mandat, als führende Kraft in der globalen Gesundheitspolitik zu fungieren und wissenschaftliche Spitzenkräfte, nationale Entscheidungsträger und Gesundheitspartner zusammenzubringen“, schreiben WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus und die Gesundheitsminister Deutschlands, Frankreichs, Norwegens und Mauretaniens anlässlich des World Health Summit 2024 im Berliner „Tagesspiegel“. Jeder in die WHO investiere Dollar bringe eine Rendite von 35 Dollar. Eine vollständige und nachhaltige Finanzierung werde es der WHO ermöglichen, die Länder beim Aufbau gesünderer, stärkerer und wohlhabenderer Gemeinschaften zu unterstützen. Die wichtigsten Elemente dafür sind: Aufbau leistungsfähiger sozialer Gesundheitszentren mit einem gerechten Zugang, Impfprogramme insbesondere für Kinder, Bekämpfung vernachlässigter Tropenkrankheiten und Antibiotikaresistenzen auch unter Berücksichtigung des Klimawandels sowie die Stärkung der Resilienz gegen Pandemien.
Mit einem zuletzt auf 3,5 Milliarden US-Dollar gestiegenen Etat, dem größten aller UNO-Organisationen, ist die WHO bereits deutlich gestärkt worden. Das Problem: Der Pflichtanteil der UN-Mitgliedsländer zur Finanzierung der WHO ist auf 15 Prozent aller Einnahmen gesunken – die Weltgesundheitsorganisation wird zunehmend vom Goodwill von Nationen und privaten Stiftungen abhängig.
Auf einer Geber-Veranstaltung im Rahmen des World Health Summit, an der unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz und der US-Tech-Milliardär Bill Gates im Namen der Linda und Bill Gates Foundation teilnahmen, wurden Zusagen über weitere 700 Millionen Dollar gegeben. Bereits zuvor hatten die EU und die Afrikanische Union 300 Millionen Dollar für die WHO zugesagt. Allein Deutschland stellt fast 400 Millionen Dollar zur Verfügung. Deutschland werde sich auch weiterhin dafür engagieren, dass ein internationales Pandemie-Abkommen zustande kommt, kündigte Bundeskanzler Scholz an. Der MPox-Ausbruch im August in Zentralafrika habe gezeigt, wie wichtig eine schnelle Reaktion der WHO sei, so Scholz. Eine Reihe weiterer EU-Länder hat ebenfalls angekündigt, der WHO freiwillig Finanzmittel in den nächsten Wochen zuzusagen.
An dem unter anderem von der Charité federführend betreuten World Health Summit trafen sich von Sonntag bis zum vergangenen Dienstag rund 3500 Gesundheitsexperten und Wissenschaftler aus der ganzen Welt. Am Mittwoch berieten Parlamentarier vieler Kontinente im Rahmen der Organisation UNITe die Möglichkeiten zur intensivierten internationalen Zusammenarbeit.