Die wichtigsten Ärztinnen der Geschichte
In der Geschichte gab es viele Frauen, die trotz der Widerstände ihrer Zeit und der Männerdominanz in ihrer Branche einen bleibenden Einfluss in Medizin und Gesellschaft hinterlassen haben.
1. Josepha von Siebold (1771-1849)
Josepha von Siebold erhielt als erste deutsche Ärztin die Ehrendoktorwürde. Die 5-fache Mutter unterstützte ihren zweiten Mann bei der Geburtshilfe und entschied sich später für ein Studium der Frauenheilkunde, für das sie nur durch ihren Schwiegervater und Schwager, beide wichtige Ärzte, eine Ausnahmegenehmigung erhielt. Im Gegensatz zu ihren männlichen Kommilitonen musste sie während der Vorlesungen hinter einem Vorhang sitzen und wurde von den Übungen ausgeschlossen. Als Hebamme konnte sie aber genügend praktische Erfahrungen sammeln und so absolvierte sie 1807 erfolgreich die für Frauen besonders strenge Staatsprüfung als Frauenärztin.
Josepha von Siebolds größtes Ziel war, die Sterblichkeitsrate bei Geburten zu senken. Die Ärztin setzte sich dafür ein, dass Schulen für Hebammen eingeführt wurden und bei Entbindungen keine Ärzte, sondern Ärztinnen zugegen waren. Mit ihrem Buch "Die Frauen und ihre Krankheiten" war sie ihrer Zeit weit voraus, denn sie hatte schon damals erkannt, dass sich der weibliche und der männliche Körper stark unterschieden und die Therapie daran angepasst werden sollte. 1815 erhielt sie die Ehrendoktorwürde der Universität Gießen. Josephas Tochter wurde ebenfalls Ärztin.
2. Dorothea Christiane Erxleben (1715-1762)
Dorothea Christiane Exleben gilt als die erste Frau, die in Deutschland einen Doktortitel in Medizin erhielt. Ihr Vater war selbst Arzt und für die damalige Zeit sehr aufgeklärt. Er machte bei seinen Kindern keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Dorothea erhielt wie ihre Brüder eine Ausbildung in Naturwissenschaften und Latein, vieles brachte sie sich selbst bei. Ein Freund schrieb ihrem Vater einmal:
"Hier drinnen ... steckt etwas, das hoch hinaus will … höher …, als wir in unserem begrenzten Denken einem Frauenzimmer zugestehen."
Dorotheas Vater bildete sie zu seiner Assistentin aus, das Medizinstudium blieb ihr jedoch verwehrt. Dagegen rebellierte sie in ihrem Werk "Gründliche Untersuchung der Ursachen, die das weibliche Geschlecht vom Studieren abhalten." Mit 25 Jahren erhielt sie 1741 vom neuen König Friedrich II. die Erlaubnis, an der Universität Halle Medizin zu studieren. Doch wegen des Krieges, ihrer Heirat und Mutterschaft kam es nicht dazu. In der ärztlichen Praxis ihres Vaters arbeitete sie dennoch weiter und übernahm sie 1747 nach dessen Tod. Nach dem Tod einer Patientin wurde sie aber wegen Pfuscherei angezeigt und ohne Beweis ihrer Schuld, wurde ihr der Betrieb der Praxis verboten.
Sie protestierte mit Erfolg, durfte ihre Doktorarbeit einreichen und erhielt 1754 die Promotion mit Bestnote, als erste Frau in Deutschland. Sie war auch die erste Ärztin, die eine sanfte Medizin unterstützte, die mit den körpereigenen Abwehrkräften arbeitete. Dorothea Erxleben starb bereits mit 46 Jahren.
3. Mildred Scheel (1931-1985)
Mildred Scheel ist nicht nur als die Ehefrau des Politikers Walter Scheel bekannt, sondern auch als die Gründerin der Deutschen Krebshilfe. Bereits als kleines Kind begleitete sie ihren Vater regelmäßig in seine Praxis und sammelte mit 14 Jahren im zweiten Weltkrieg erste praktische medizinische Erfahrungen bei der Versorgung verletzter Flüchtlinge. Als sie mit dem Medizinstudium begann, plante sie, die väterliche Praxis zu übernehmen. Doch dessen plötzlicher Herztod macht diesen Wunsch zunichte.
Scheel gründete 1974 die Deutsche Krebshilfe und trug als deren Präsidentin dazu bei, dass sich Prävention, Behandlung und Forschung von Krebs verbesserte. Sie bestand darauf, rund um die Uhr für jene erreichbar zu sein, die Hilfe suchten. 10 Jahre nach der Gründung der Krebshilfe erkrankte die Ärztin selbst an Krebs. Sie bestand jedoch darauf, dass dies nicht öffentlich gemacht wurde, um die Menschen nicht zu verunsichern. Doch das Gegenteil passierte, die Unterstützung für die Krebshilfe wuchs.
4. Gerty Cori (1896-1957)
Die Österreicherin Gerty Cori ist zwar keine Ärztin, doch die Biochemikerin und ihr Mann spielten eine wichtige Rolle bei der Erforschung des Zuckerstoffwechsels. Beide erhielten dafür 1947 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin.
Das Ehepaar emmigrierte nach dem Medizinstudium in die USA und forschte dort an der Washington University. Dort konnte es zeigen, dass Glykogen, das in der Leber und in Muskeln gespeichert wird, in Glukose umgewandelt werden kann, um Energie freizusetzen. Das Enzym, das diesen Prozess ermöglicht, wurde als Cori-Zyklus bekannt. Die Forschung von Gerty Cori und ihrem Mann trug zur Entwicklung von Behandlungsmethoden bei Diabetes und anderen Stoffwechselstörungen bei.
5. Rahel Hirsch (1870 - 1953)
Rahel Hirsch arbeitete zuerst als Lehrerin, doch ihre wahre Liebe galt der Medizin. 1903 schloss sie ihr Medizinstudium in der Schweiz erfolgreich ab und begann als Assistenzärztin an der Charité in Berlin. Dort entdeckte sie 1906 das Vorkommen von Stärkekörnern im Blut und Urin. Eine Entdeckung, die erst 1957 Anerkennung fand und als Hirsch-Effekt bekannt wurde.
Hirsch wurde 1913 als erste Ärztin in Preußen zur Professorin ernannt, jedoch wurde ihr die Leitung der Klinik aufgrund ihrer jüdischen Herkunft entzogen. Die Ärztin gründete daraufhin eine eigene Praxis. Sie stattete diese mit modernen Röntgengeräten und nutzte die Möglichkeiten der Strahlenmedizin. Rahel Hirsch engagierte sich auch für eine geschlechtsspezifische gesundheitliche Beratung und war eine Verfechterin der körperlichen Betätigung von Frauen, was sie in ihrem Buch "Körperkultur der Frau" deutlich machte. Wegen ihrer jüdischen Abstammung wurden ihre beruflichen Möglichkeiten nach und nach eingeschränkt und später die Approbation entzogen. Kurz vor den Novemberpogromen 1938 floh die inzwischen 68-jährige Hirsch nach England. Die Erinnerungen begleiteten sie zeitlebens.
6. Ingeborg Rapoport (1912-2017)
Kinderärztin Ingeborg Rapoport hat die Neugeborenenmedizin an der Charité in Berlin revolutioniert und damit die Säuglingssterblichkeit enorm gesenkt. Zudem ist sie der älteste Mensch, der je einen Doktortitel erhielt.
Rapoport beendete 1937 erfolgreich das Studium der Medizin, der Doktortitel wurde ihr wegen ihrer jüdischen Herkunft jedoch verweigert und sie floh in die USA. Wegen ihrer Leidenschaft für den Kommunismus musste Rapoport das Land 1950 zusammen mit ihrer sechsköpfigen Familie wieder verlassen und zog in die DDR.
Als die Medizinerin 1952 an der Charité in Berlin begann, fehlte es an Ausrüstung und medizinisches Personal flüchtete in den Westen. Trotz aller Hindernisse setzte Rapoport sich unermüdlich für die Senkung der Säuglingssterblichkeit ein und revolutionierte die Neugeborenenmedizin. Sie initiierte ein interdisziplinäres Forschungsprojekt und vernetzte alle wichtigen Fachgebiete innerhalb der Charité. 1970 wurde die Frauenklinik umstrukturiert, Geburtsstation und Neugeborenenklinik wurden zusammengeführt. Gemeinsam mit ihren Kollegen rettete Rapoport so unzähligen Kindern das Leben und senkte die Säuglingssterblichkeit in der DDR. Zeitweise war sie dort sogar niedriger als in der BRD.
Später sollte Rapoport die Ehrendoktorwürde verliehen werden, die verweigerte sie jedoch. Sie wollte einen echten Doktortitel, den sie schließlich mit 102 Jahren nach der Verteidigung ihrer Arbeit auch erhielt.
7. Charlotte Bühler (1893-1974)
Charlotte Bühler gilt als Begründerin der modernen Entwicklungspsychologie. Während ihres Psychologiestudiums an der Universität Freiburg lernte sie ihren Ehemann Karl Bühler kennen. Ab 1920 beschäftigte sie sich intensiv mit der Kinder- und Jugendpsychologie und dem Verständnis der menschlichen Entwicklung im Laufe des Lebens, einschließlich der Entwicklung von Persönlichkeit, Intelligenz und Emotionen.
Zusammen mit Hildegard Hetzer entwickelte sie Testreihen zur Feststellung des Entwicklungsquotienten von Kindern. Ab 1922 arbeitete sie mit ihrem Mann an dem neu gegründeten Wiener Psychologischen Institut und erhielt 1929 die Professur an der Universität Wien. 1938 emigrierte das Paar aufgrund Charlotte Bühlers jüdischer Abstammung in die USA. Dort trug sie als Psychotherapeutin wesentlich zur Etablierung der Gerontopsychologie als eigenständige Disziplin bei und gilt als eine der wichtigsten Vertreterinnen der Humanistischen Psychologie zusammen mit Maslow, Rogers und Goldstein. Bühlers Beiträge zur Psychologie wurden mit zahlreichen Auszeichnungen gewürdigt.
8. Hermine Heusler Edenhuizen (1872-1955)
Die Frauenärztin Hermine Heusler-Edenhuizen war eine Wegbereiterin der modernen Geburtenkontrolle und setzte sich für die kostenlose Abgabe von Verhütungsmitteln durch Krankenkassen und Fürsorgeverbände sowie eine Preisregelung für den Schwangerschaftsabbruch ein. Sie war die erste Frau in Deutschland, die sich erst in Köln und später in Berlin als Ärztin für Frauenkrankheiten und Geburtshilfe niederließ. Sie forderte die Abschaffung des Abtreibungsverbots und setzte sich für umfassende Fürsorgemaßnahmen für Mutter und Kind ein. Die Ärztin engagierte sich auch für die schmerzfreie Geburt und die Bekämpfung des Kindbettfiebers.
9. Franziska Tibertius (1843-1927)
Franziska Tiburtius gilt als eine der ersten deutschen Ärztinnen mit eigener Praxis und hat sich für die Gleichstellung der Geschlechter im Beruf eingesetzt. Bis zu ihrem 33. Lebensjahr arbeitete sie als Erzieherin auf Rügen, bevor sie sich dazu entschied, Ärztin zu werden. Als Frau war dies zu dieser Zeit in Deutschland jedoch nicht möglich, daher zog sie nach Zürich und erlangte dort 1876 den Doktor der Medizin. Nachdem sie erfolglos versucht hatte, in Deutschland als Ärztin anerkannt zu werden, eröffnete sie zusammen mit Emilie Lehmus eine Privatpraxis in Berlin. Sie musste sich viele Jahre lang öffentlicher Anfeindungen und Vorbehalte der männlichen Ärzteschaft stellen. Zusammen mit Agnes Hacker eröffnete sie später die "Chirurgische Klinik weiblicher Ärzte".
10. Françoise Barré-Sinoussi (geb. 1947)
Die französische Virologin Françoise Barré-Sinoussi entdeckte 1983 zusammen mit ihrem Kollegen Luc Montagnier das humane Immundefizienz-Virus (HIV) und forschte danach an der Entwicklung einer antiretroviralen Therapie. Barré-Sinoussi und Montagnier erhielten 2008 für ihre Arbeit den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Durch ihre Entdeckung konnten antiretrovirale Medikamente entwickelt werden, die die Vermehrung des HI-Virus im Körper hemmen.
Weitere berühmte Frauen in der Medizin:
Die US-amerikanische Medizinerin Elizabeth Blackwell, die sich Mitte des 19. Jahrhunderts in ihrem Heimatland für eine bessere Gesundheitsversorgung und mehr Bildung für Frauen einsetzte, was die Britin Sophie Jex-Blake im Vereinten Königreich tat. Bekanntheit in der Medizin erreichten auch die Krankenschwester Florence Nightingale, Begründerin der modernen westlichen Krankenpflege; Elsa Brändström, die sich für Gefangene im ersten Weltkrieg stark machte; und die französische Hebamme Marie-Louise Bourgeois, die im 17. Jahrhundert eine der wichtigsten Arbeiten für die Geburtshilfe verfasste.
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https://siebold-museum.byseum.de/de/geschichte/die-wuerzburger-siebold/josepha-von-siebold
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https://www.siebold-gymnasium.de/infos/schule-mit-tradition/die-famile-von-siebold/josepha-von-siebold
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https://www.weltverbesserer.de/die-wichtigsten-aerztinnen-der-geschichte-7732/