Nach einer Reihe vorbereitender Gespräche hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am Dienstag zusammen mit Vertretern der Bundesärztekammer, der KBV und des Deutschen Hausärzteverbandes weitreichende Reformen für die ambulante vertragsärztliche Versorgung angekündigt. An dem zuvor stattgefundenen Spitzengespräch hatten auch der Spitzenverband Deutscher Fachärzte (SpiFa) und der NAV-Virchowbund teilgenommen, denen die geplanten Reformen nicht weit genug gehen.
Noch im Januar will Lauterbach den Referentenentwurf für das Versorgungsgesetz I vorlegen. Darin enthalten sind maßgebliche Reformen für die hausärztliche Vergütungssystematik:
Im März oder April soll der Referentenentwurf für ein Versorgungsgesetz II folgen, das vor allem einen Entbürokratisierungsschub für die Praxen bedeuten könnte. Derzeit findet die Ressortabstimmung statt. Wesentliche Inhalte:
Für dringend verbesserungsbedürftig hält Lauterbach den zeitnahen Zugang von Patienten zur fachärztlichen Versorgung, insbesondere auch zur Abklärung von Diagnosen, in medizinisch dringenden Fällen. Mit welchen Instrumenten die zeitnahe fachärztliche Versorgung sichergestellt werden soll, scheint abschließend noch nicht präzise geklärt zu sein. Eine Rolle könnten dabei auch Regelungen im Rahmen der Reform der Krankenhausstruktur und -vergütung für Level Ii-Kliniken spielen, in denen neue Formen der Kooperation zwischen Haus- und Fachärzten ermöglicht werden sollen.
Mit dem Gesetz zur Errichtung einer Digitalagentur – sie soll die gematik ablösen – plant das Bundesgesundheitsministerium Vorgaben für die Transparenz und Funktionalität von Praxisverwaltungssystemen, insbesondere hinsichtlich ihrer Funktionstüchtigkeit für die Nutzung der ePA, des eRezepts und der eAU.
Das Gesetzespaket zielt insgesamt darauf ab, ärztliche Arbeitskraft für die medizinische Versorgung und insbesondere für schwer kranke Patienten zu mobilisieren, indem Bürokratie reduziert und rein auf Leistungsmengen gerichtete Vergütungsanreize beseitigt werden. Das allein, so Lauterbach, reiche aber nicht aus, zukünftigen Behandlungsbedarf zu befriedigen. Notwendig seien mehr Ärzte, daher sollte die Zahl der Studienplätze um 5000 pro Jahrgang erhöht werden.
Und offenbar hat Lauterbach ein weiteres Tabu aufgegeben: eine Reform der GOÄ. "Wir werden undogmatisch und vorurteilsfrei herangehen", kündigte Lauterbach an. Seine Bedingung: GKV-Versicherte dürfen dadurch nicht schlechter gestellt werden. Hier bedürfe es aber noch der Abstimmung mit der FDP als Koalitionspartner.
Zufrieden zeigten sich die Vertreter des Deutschen Hausärzteverbandes Professor Nicola Buhlinger-Göpfarth und Dr. Markus Beyer: Wesentlich seien rasche Reformen, eine Minderung der Kontaktzahlen, eine Vergütung, die die vollumfängliche medizinische Betreuung sicherstelle und die Förderung der hausarztzentrierten Versorgung und ihrer Vernetzung mit den Fachärzten. "Die ambulante Medizin platzt aus allen Nähten, wir sind aber bereit, das gemeinsam zu schließen", so Beyer.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, würdigte den sachlichen Dialog. Dies könne dazu beitragen, den Unmut vieler Ärzte zu dämpfen. Notwendig sei es aber auch, die fachärztliche Versorgung nicht außer Acht zu lassen. Ähnlich äußerte sich Dr. Sybille Steiner vom Vorstand der KBV. Sie mahnte darüber hinaus an, noch bestehende Sanktionen gegen Ärzte im Zusammenhang mit dem Digitalisierungsprozess zu überprüfen. Insgesamt habe man sich deutlich konkretere Vorschläge gewünscht, vieles bleibe noch im Vagen.
Unzufrieden reagierten hingegen der NAV-Virchowbund und dessen Vorsitzender Dr. Dirk Heinrich, der zugleich auch den SpiFA führt. Der Krisengipfel sei "auf halbem Weg stehen geblieben". Heinrich kritisierte, dass Lauterbach versuche, mit der einseitigen Aufhebung der Budgetierung für Hausärzte die Ärzteschaft zu spalten. Offenbar sehe Lauterbach den Platz für die Fachärzte lediglich in den Kliniken, nicht aber in der ambulanten Versorgung. Mit einem solchen Umbau des Gesundheitssystems werde Lauterbach zum "Vater der Wartelistenmedizin und des Endes der freien Arztwahl". Zumindest hätte auf Basis eines Vorschlags der Fachärzte ein Einstieg in die Entbudgetierung versucht werden sollen. Danach hätte zunächst die Quotierung von mindestens voll zu bezahlenden Leistungen auf 90 Prozent festgelegt werden sollen. Ferner sollten alle Leistungen, die auf hausärztliche Überweisung erfolgen, nach Einzelleistungen vergütet werden. Von Budgets befreit werden sollten jene Fachärzte, die in sozialen Brennpunkten arbeiten. Vor dem Hintergrund des für Fachärzte unzureichenden Gesprächsergebnisses sieht Heinrich eine weiter wachsende "Wut an der Basis". Der Protest werde daher weitergehen müssen.