Vom TikTok-Trend "Cortisol face" und Problemen der Transmedizin

Die Hormonwoche 2024 beleuchtet die Herausforderungen der Endokrinologie, von seltenen hormonellen Erkrankungen bis hin zur Transmedizin und Osteoporose-Behandlung.

Mangel an Endokrinologen in Deutschland

Die Pressekonferenz zur Hormonwoche 2024 glänzte durch eine hochkarätige Diskussionsrunde. Prof. Dr. rer. nat. Jan P. Tuckermann - Präsident der Deutschen endokrinologischen Gesellschaft - machte auf die Notwendigkeit einer rechtzeitigen Erkennung seltener hormoneller Erkrankungen im klinischen Alltag aufmerksam.

Tuckermann zufolge bedarf die Diagnostik der verschiedenen komplexen Krankheitsbilder einer enormen Fachexpertise. In Deutschland stehen hierfür nur lediglich 0,3 Endokrinologen pro 100.000 Einwohner zur Verfügung. Mit diesen Zahlen befindet sich Deutschland hinter seinen Nachbarländern. Der Schwund der endokrinologischen Fachsitze kann auf Patienten mit seltenen und schwer zu diagnostizierenden Hormonerkrankungen sogar lebensgefährliche Auswirkungen haben. Eine Verbesserung der aktuell schwierigen Versorgungssituation in Deutschland ist unausweichlich.

TikTok-Trend "Cortisol face" und das Cushing-Syndrom

Prof. Dr. med. Martin Reincke stellte Fehlinformationen über das endogene Cushing-Syndrom richtig. Der TikTok-Trend "Cortisol face" hatte zuletzt große Aufmerksamkeit erhalten. Reincke kritisierte, dass auf dieser Plattform keine sachgerechte Diskussion bisher stattgefunden hatte und der angepriesene Stressabbau als alleinige Behandlungsoption nicht ausreichen würde.

Im klinischen Alltag können das endogene Cushing-Syndrom durch recht unspezifische körperliche Veränderung leicht durchs Raster fallen. Bei über 30 Prozent der Betroffenen treten nur 2 der 12 Leitsymptome auf. Neben dem Cushing-Gesicht, gehören hierzu:

Dem endogenen Cushing-Syndrom liegt eine Überproduktion von Cortisol durch die Nebennieren zugrunde. Neben der Cushing-Krankheit können Nebennierenrinden-Tumore das endogene Cushing-Syndrom verursachen.

Reincke wies auf die lebensbedrohlichen Folgen einer verspäteten Diagnosestellung des endogenen Cushing-Syndroms hin. Weltweit wird diese Diagnose im Mittel nach 34 Monaten gestellt. In Deutschland lag die mittlere Zeit bis zur Diagnosestellung hingegen bei 54 Monaten. Bei einer geschätzten 5-Jahresüberlebenszeit von 50 % verstirbt damit ein Teil der Betroffenen bis zur Diagnosestellung. Der endokrinologische Versorgungsengpass in Deutschland ist auch dieses Jahr noch ein Problem, das gelöst werden muss.

Transmedizin: Probleme und neue Gesetze

Prof. Dr. med. Günter Stalla führte die verschiedenen aktuell noch herrschenden Probleme in der Transmedizin auf. Neben der Diskriminierung durch die Gesellschaft bereitet Stalla das Fehlen wissenschaftlicher Langzeitdaten samt ausreichender Erforschung von Komorbiditäten sowie das Fehlen der hierfür nötigen finanziellen Ressourcen Sorgen. Auch die nicht vorhandene langandauernde Therapiesicherheit – Präparate werden aus Kostengründen vom Markt genommen – erschwert die adäquate Hormontherapie der Betroffenen.

Weltweit kam es zu einem starken Anstieg (Verzehnfachung in den letzten Jahren; Prävalenz 0,4 bis 1 Prozent der Bevölkerung) nach dem Wunsch für eine Hormontherapie bei Vorliegen einer Geschlechtsdysphorie. Früher überwogen ältere (≥ 50 Jahre) Transfrauen.

Heutzutage sind es vor allem jüngere Transmänner (Lebensalter 14 bis 25 Jahre), die eine Hormontherapie wünschen. Stalla machte auf das im November neu erscheinende Selbstbestimmungsgesetz aufmerksam. Es löst das Transsexuellengesetz aus dem Jahr 1981 am 1.11.2024 ab. Ein wichtiger Kritikpunkt hieran sei jedoch, dass es weiterhin keine Regelung der Kostenübernahme durch dieses neue Gesetz gibt.

Neue Medikamente zur Behandlung der Osteoporose

Prof. Dr. med. Heike Siggelkow informierte über das geänderte Therapiekonzept zur Behandlung von Osteoporose bei postmenopausalen Frauen und Männern ab dem 50. Lebensjahr. Die aktuelle S3-AWMF-Leitlinie aus dem Jahr 2023 führte zu einer kompletten Änderung des Vorgehens bei Osteoporose. Abhängig von 3 verschiedenen Therapieschwellen wird die Therapie indiziert und die jeweilige Therapieempfehlungen ausgesprochen:

Statt dem 10- wird nun das 3-Jahres-Gesamtfrakturrisiko für Schenkelhals- und Wirbelkörperfrakturen errechnet und als Therapieschwelle herangezogen

Bei einem 3 bis < 5 prozentigen Risiko wird eine spezifische medikamentöse Therapie in Betracht gezogen. Bei einem 5 bis < 10 prozentigen Risiko wird die spezifische medikamentöse Behandlung empfohlen und bei einem Risiko von mehr als 10 Prozent liegt eine klare Empfehlung für den Einsatz osteoanabol wirksamer Substanzen vor.

Siggelkow betonte, dass neben Romosozumab und Teriparatid nun ein weiteres osteoanaboles Medikament auf dem Markt ist: Abaloparatid. Mit osteoanabol wirksamen Substanzen ist ein Knochenzuwachs von im Mittel 20-25 % in 1-2 Jahren möglich. Auch wird die Knochenstruktur verbessert. Im Anschluss an diese Folge- oder Sequenztherapie können den Knochenabbau hemmende Medikamente zum Erhalt der so gewonnenen Knochendichte zum Einsatz kommen. Ein Nachteil ist jedoch die parenterale Gabe.

Nebenwirkungen in der Krebstherapie

Priv.-Doz. Dr. med. Dr. jur. Birgit Habeck sprach über das Nebenwirkungsspektrum moderner Immuntherapeutika in der Krebstherapie. Mit 46 bis 62 Prozent sind Nebenwirkungen im Hautbereich am häufigsten - gefolgt von der Autoimmunkolitis (22 bis 48 Prozent), Autoimmunhepatitis (7 bis 33 Prozent) und den Endokrinopathien mit rund 10 Prozent. Die am häufigsten vorkommende endokrine immunvermittelte Nebenwirkung ist die Thyreoiditis mit 5-20 Prozent. Neben dieser meist milden Nebenwirkung kann es jedoch auch zu einer lebensbedrohlichen Nebenniereninsuffizienz kommen. Auch eine schwere Blutzuckerentgleisung bei Diabetes mellitus ist möglich. Die Kombination verschiedener Immuncheckpoint-Inhibitoren erhöht das Risiko hierfür.

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