Behandlung von Brustkrebs: Unterschied bei Alt und Jung
Bei der systemischen Behandlung von Brustkrebs spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Wie relevant das Alter für die Therapieentscheidung ist und ob es wirklich der richtige Ratgeber ist, wurde in einer Kohortenanalyse kritisch untersucht.
Die Studie im Überblick:
- Eingeschlossen wurde eine Kohorte von rund 124.000 Patientinnen aus 104 Brustzentren, die zwischen 2008 und 2017 behandelt wurden.
- Die Diagnosen beschränkten sich auf Brustkrebs im Frühstadium.
- Alle Patientinnen wurden einer Operation unterzogen, manche erhielten darüber hinaus eine adjuvante oder neoadjuvante Chemotherapie.
- Es wurden sechs Altersgruppen gebildet, die wiederum nach Subtypen, abhängig vom Rezeptorstatus, unterteilt wurden.
- Ergebnis: Jüngere Patientinnen erhielten häufiger eine Chemotherapie als ältere.
Aggressives Vorgehen in jungen Jahren
Vor allem bei sehr jungen Frauen ≤ 29 Jahren wurde mit 74,2% überdurchschnittlich häufig eine systemische Therapie durchgeführt. Im Vergleich dazu lag die Rate bei Frauen ≥ 70 Jahren bei gerade einmal 17,6%.
Das mag am Tumorsubtyp liegen, der bei den Jüngeren häufig prognostisch ungünstig war und daher ein aggressiveres therapeutisches Vorgehen verlangte. Außerdem war bei jungen Patientinnen der Tumor bei Erstdiagnose bereits weiter fortgeschritten als bei älteren Betroffenen.
Profit auch im Alter
Und tatsächlich scheinen die Erfolgsraten dieser Strategie auf den ersten Blick recht zu geben: Vor allem junge Patientinnen sprachen gut auf die Systemtherapie an und erreichten häufiger eine Komplettremission als ältere Frauen jenseits der 70.
Bei genauerem Hinsehen zeigte sich aber: Auch bei Älteren kann eine Chemotherapie erfolgreich sein, v.a. beim Subtyp HER2+. Allerdings dominiert im Alter der Subtyp HER2-, der mit einem schlechteren Ansprechen assoziiert ist. Dass ältere Frauen auf eine Systemtherapie weniger gut ansprechen, liegt also offenbar weniger am Alter als vielmehr am ungünstigen Rezeptorstatus.
Abweichung von den Leitlinien
Die meisten Patientinnen mit Brustkrebs im Frühstadium sind bei Erstdiagnose zwischen 40 und 70 Jahren alt. Bei ihnen ist die Therapie in der Regel unstrittig und erfolgt nach Leitlinie. Anders sieht es laut den Studienautoren jedoch bei sehr jungen und bei älteren Patientinnen aus. Hier werden nur drei von vier nach den einschlägigen Empfehlungen behandelt.
Vor allem bei älteren Frauen wird häufig davon abgewichen. Der Grund: Ab 70 kommen vermehrt Komorbiditäten und weitere Risikofaktoren hinzu, die das spezifische Therapiemanagement erschweren. Zudem seien ältere Frauen oft von klinischen Studien ausgeschlossen, so die Autoren.
Nicht zu viel und nicht zu wenig
So scheint das Alter eine Barriere für die Chemotherapie bei frühem Brustkrebs zu sein, und das nicht nur in Deutschland. Auch in anderen Ländern wie Frankreich, Dänemark, Spanien und den USA werden ältere Patientinnen restriktiver behandelt.
In Deutschland wird laut dem Team um Hoffmann vor allem ab einem Alter von 75 Jahren von einer Systemtherapie abgeraten. Das könne zur Untertherapie führen, wohingegen bei der operativen Versorgung eher eine Übertherapie zu beobachten sei. Von einer Chemotherapie profitierten allerdings durchaus auch ältere Frauen, abhängig von Tumorbiologie und Subtyp, wie vorangegangene Studien zeigten.
Fazit für die Praxis
Die Therapie beim Mammakarzinom ist immer eine individuelle Abwägung, die einen Gesamtblick auf die Patientin und ihre Diagnose erfordert. Das Alter allein greift als Prognosefaktor bei der Therapieentscheidung zu kurz. Vielmehr ist bei älteren Frauen ein umfassendes geriatrisches Assessment geboten, um sowohl Über- als auch Untertherapie zu vermeiden.
Weitere Informationen zur Therapie des Mammakarzinoms
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Fachbereich Gynäkologie/ Onkologie
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