Prof. Dr. med. Dorothea Fischer ist Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit den Schwerpunkten Spezielle operative Gynäkologie, Spezielle Geburtshilfe, gynäkologische Onkologie. Sie ist die leitende Chefärztin der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Klinikum Ernst von Bergmannn Potsdam.
esanum: Frau Prof. Fischer, ist der Diagnoseweg vom Alter der Betroffenen abhängig? Was ist bei jüngeren Frauen anders?
Prof. Fischer: Der große Unterschied ist, dass jüngere Frauen unter 50 Jahren bislang nicht am Mammographiescreening teilnehmen. Die Früherkennung findet durch die Tastuntersuchung statt, bei Auffälligkeiten wird der Ultraschall hinzugenommen. Die Mammographie ist für jüngere Frauen nicht so gut geeignet, da ihr Brustgewebe meist dichter ist. Das führt dazu, dass viele Jüngere den Tumor selbst entdecken. Ich habe eine Zeitlang in Grömitz in einer Rehaklinik gearbeitet, in der an Brustkrebs erkrankte Frauen mit ihren Kindern gemeinsam aufgenommen werden, der Altersschnitt der Frauen dort liegt bei 40 Jahren. Und dort haben 73 Prozent der Frauen ihren Tumor selbst getastet. Bei 19 Prozent wurde der Tumor durch die Krebsvorsorgeuntersuchung entdeckt.
Hinzu kommt, dass bei einer 50- oder 60jährigen Frau die Erwartung näher liegt, dass es sich um Krebs handeln könnte, wenn sie mit einem Knoten zur Ärztin kommt. Sodass schneller entsprechend gehandelt wird. Die Awareness ist bei jüngeren Frauen einfach geringer.
Eine weitere diagnostische Schwierigkeit ist, dass ein Teil der jüngeren Frauen schwanger ist oder stillt, was die Beurteilung der Brust ebenfalls schwieriger macht. Das führt insgesamt dazu, dass die Diagnose bei vielen Jüngeren oft später gestellt wird - was natürlich die Prognose verschlechtern kann.
esanum: Wie häufig sind überhaupt Jüngere betroffen?
Prof. Fischer: Bei einer von acht Frauen wird im Laufe ihres Lebens Brustkrebs diagnostiziert. Bei Frauen unter 40 Jahren ist eine von 48 Frauen betroffen. Und bei unter 30jährigen ist es eine von 220.
esanum: Sollte das Brustkrebs-Screening auf Jüngere unter 50 Jahren ausgedehnt werden?
Prof. Fischer: Die Überlegung, es ab 45 Jahren anzubieten, gibt es, die endgültige Entscheidung darüber steht noch aus.
esanum: Folgt daraus grundsätzlich ein anderes therapeutisches Vorgehen?
Prof. Fischer: Wir finden Tumore bei Jüngeren oft im späteren Stadium. Und jüngere haben auch andere Tumore. Sehr junge Frauen haben häufig Tumore mit einer ungünstigeren Tumorbiologie - wie Her 2 positive oder Triple negative Tumore. Die Rate liegt hier fast doppelt so hoch wie bei Frauen über 65 Jahren.
Wenn ich eine 35- und eine 65-jährige Frau mit dem gleichen Tumorstadium und demselben Tumortyp habe, gibt es keinen generellen Unterschied in der Therapie.
Insgesamt erhalten jüngere Patientinnen deutlich häufiger eine neoadjuvante Chemotherapie durch die andere Tumorbiologie und werden hormonell auch intensiver behandelt.
esanum: Inwieweit beeinflusst ein bestehender Kinderwunsch die Therapie?
Prof. Fischer: Bei jungen Frauen ist der Fertilitätserhalt ein wichtiges Thema. Selbstverständlich bekommen sie spezielle Medikamente (GnRH-Analoga) zum Schutz der Eierstöcke. Dadurch ist die Chance, dass die Eierstöcke später wieder die normale Produktion aufnehmen, höher.
Jede an Brustkrebs erkrankte Frau unter 40 sollte generell nach ihrem Kinderwunsch gefragt werden. Und dann wird entsprechend gehandelt. Häufig werden sie zur Beratung zu spezialisierten Kinderwunscheinrichtungen ("Fertiprotekt") geschickt, wo es darum geht, Eizellen oder Ovargewebe zu konservieren.
esanum: Ist die Prognose altersabhängig? Haben junge Patientinnen ein anderes Outcome?
Prof. Fischer: Insofern der Tumor häufig später entdeckt wird und er auch oft eine andere Tumorbiologie aufweist, ist die Prognose bei Jüngeren oft schlechter. Brustkrebs ist bei Frauen unter 40 Jahren die häufigste Todesursache. Daher müsste die Aufmerksamkeit für Brustkrebs in jüngeren Jahren viel höher sein - bei den Gynäkologen und bei den Frauen selbst, auch wenn es sich bei Knoten häufiger um Zysten oder Fibroadenome handelt. Zu oft wird deswegen einfach abgewartet und nicht schnell und gründlich abgeklärt. Das ist fatal. Aus meiner Sicht muss jeder auffällige Befund in der Brust auch bei Jüngeren abgeklärt werden. Aber das ist nicht ganz leicht und erfordert eine hohe Expertise. Immerhin haben wir durch prominente Frauen heute eine höhere Aufmerksamkeit für dieses Thema als noch vor 20 Jahren.
esanum: Was sollten niedergelassene Kolleginnen und Kollegen in der Praxis bei der Nachsorge von jungen Patientinnen mit Brustkrebs beachten? Sind Kontrolltermine und bildgebende Verfahren in kürzeren Intervallen empfehlenswert?
Prof. Fischer: Das eigentlich nicht. Die Nachsorgetermine alle drei Monate reichen aus. Aber wir müssen die weichen psychosozialen Faktoren im Blick haben. Da sind Kinder zu versorgen, die Familie ist vielleicht nicht ganz gefestigt oder die Familienplanung ist offen, die berufliche Karriere ist fordernd. Da geht es um Schwerbehinderung, um die berufliche Wiedereingliederung, um Fragen der Lebensqualität. Das Körperbild kann ein Thema sein, auch sexuelle Themen spielen hinein, wenn die Östrogene heruntergefahren werden oder wenn vielleicht eine Brust amputiert wurde, auch wenn grundsätzlich sehr schonend vorgegangen wird. Jüngere unterbrechen häufiger ihre antihormonelle Therapie, weil sie öfter als Ältere stärkere Nebenwirkungen wahrnehmen.
Natürlich geht es in der Nachsorge auch um langfristige Nebenwirkungen der Chemotherapie, zum Beispiel um die Herzgesundheit. Und es sollte auch immer die Knochendichte im Blick bleiben. Sehr gute Daten zeigen, dass wir Frauen nach einer Brustkrebserkrankung ermutigen können, schwanger zu werden, ohne einen Nachteil für die Krebserkrankung zu riskieren. Wenn sie 18 bis 36 Monate Tamoxifen genommen haben, können sie bis zu zwei Jahre aussetzen - ohne dass die Daten eine ungünstigere Prognose zeigen. Das alles erfordert viel Fingerspitzengefühl und braucht häufig viel mehr Zeit als bei älteren Patientinnen.