Vielfach zu lesen sind aktuell neue und wichtige Erkenntnisse bezüglich der Myokardinfarktforschung, welche kürzlich auf dem Kongress der europäischen kardiologischen Gesellschaft (ECS) vorgestellt wurden. In einer großen multizentrischen Studie des Herzzentrums in Leipzig konnte festgestellt werden, dass der Einsatz einer intraaortalen Ballonpumpe als Unterstützung der Herzfunktion bei Patienten im kardiogenen Schock nach Myokardinfarkt hinsichtlich Sterblichkeit, Blutdruck, Katecholamindosen, Nierenfunktion, Entzündungsparameter, intensivmedizinische Scores sowie Behandlungs- oder Beatmungstage keine Vorteile gegenüber der alleinigen PTCA mit Stentimplantation zeigt. Ist dies ein weiterer Niederschlag für ein seit langen bekanntes und genutztes Device im kardiologisch-kardiochirurgischen Bereich und ein weiterer Schritt in Richtung minimaler Invasivität? In diesem Zusammenhang möchte ich kurz die Werbetrommel für meinen Kollegen Prof. Dr. Michael Böhm rühren, der am 11.09. in der CME-Fortbildung über die Highlights des diesjährigen Kongresses der European Society of Cardiology berichtet (siehe auch http://www.mediakademie.de/ )
Kürzlich konnte man in einschlägigen Fachzeitschriften Berichte über eine neue Studie im British Medical Journal lesen (Abstract: http://www.bmj.com/content/345/bmj.e5116 ). Kollegen untersuchten die Entwicklung von Kindern älterer Mütter. Hierzu wurden 31.000 Kinder im Alter von neun Monaten, über 24.000 Dreijährige und 22.504 Fünfjährige Kinder einbezogen. Fokussiert wurde sich auf die körperliche und psychomotorische Entwicklung, das Immunsystem sowie Unfälle und Traumata. Im Ergebnis fand sich, dass Kinder älterer Mütter (>35J, also Risikoschwangere) eine deutlich bessere Entwicklung zeigten.
Dies liegt zum einen sicherlich an einer per se besseren Aufklärung älterer Mütter, zum anderen sicher auch daran, dass über 35-jährige Schwangere als Risikoschwangere gelten und daher auch von ärztlicher Seite anders aufgeklärt werden, sowie die Problematik einer Risikoschwangerschaft erläutert wird – was im Endeffekt auch sicherlich zu einer intensiveren Sorge um und für die Kinder führt.
Im Zuge der demographischen Entwicklung und der Zunahme von Schwangerschaften älterer Mütter in unseren westlichen Industrienationen ist diese Studie von nicht geringer Wichtigkeit.
Kann man aus dieser Studie schließen, dass der negative Stempel, der derzeit die Schwangerschaft älterer Mütter belegt, ungerechtfertigt ist? Oder kommt in der Studie zu kurz, dass die Entwicklung des Kindes nicht der einzige Faktor zur Bemessung von positiven und negativen Aspekten solch einer Situation ist?
Wertes Kollegium,
Ihnen allen bekannt sind die kürzlich getroffenen Entscheidungen zur Honorarerhöhung niedergelassener Kollegen. Ich möchte hier einmal die Wirkung dieser Entscheidung zur Diskussion stellen.
Beschlossen wurde eine, für uns Ärzteschaft lächerliche, Erhöhung der Honorare um knapp 300 Millionen Euro im Jahr. Effektiv macht das bei ca. 143.000 niedergelassenen Kollegen in Deutschland (Quelle: Bundesärztekammer, Statistik 2011) im monatlichen Netto eines niedergelassenen Kollegen vielleicht eine Erhöhung um vermutlich knapp 100€. Das ist selbstverständlich indiskutabel wenig.
Was mich andererseits aber massiv stört ist die mediale Berichterstattung. In Nachrichtenformaten jeglicher Art wird mit diesen horrenden und unvorstellbaren Zahlen herumgeworfen… "Hausärzte bekommen 300 Millionen mehr pro Jahr. Ärzte fordern aber 3,5 Milliarden". Diese Zahlen bleiben selbstverständlich ohne weiteren Kommentar stehen. Dass das Geld auf 150.000 Ärzte und die entsprechenden Monate im Jahr verteilt wird, erklärt niemand. Und wie solche Zahlen auf Menschen wirken, die dies nicht reflektieren (können), ist auch selbsterklärend.
Das ist in meinen Augen populistische Meinungsmache gegen unsere Ärzteschaft und zieht unsere Forderungen in der Bevölkerung nahezu ins Lächerliche. Ich selbst wurde schon mit Vorwürfen in der Praxis konfrontiert: "Aber Herr Doktor, nun seien Sie mal ehrlich: so schlecht geht’s Ihnen doch nicht, dass Sie 3 Milliarden mehr brauchen".
Halten Sie die Berichterstattung für gerechtfertigt. Ist nicht eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung auch wichtig für uns und unsere Forderungen?
Liebe Kollegen,
mich würde interessieren, welche Rolle die Benutzung von Onlinenachschlagewerken für Sie im Alltag spielt. Ich ertappe mich selber ab und an dabei, mir unbekannte Diagnosestichwörter aus Entlassungsbriefen kurzerhand bei Wikipedia nachzuschlagen, um eine Kurzinfo darüber zu erhalten. Das geht im Praxisalltag einfach schneller als im Pschyrembel zu wühlen. Mir ist aber durchaus die teilweise erschreckende Fehlerhaftigkeit dieses Portals bewusst.
Welche guten, kostenfreien oder günstigen Alternativen können Sie empfehlen, für die kurze Recherche zu Krankheitsbildern oder ähnlichem?
Kurz noch zur Info: es geht mir hier natürlich nicht um Therapien, Dosierungen oder ähnliches. Lediglich interessehalber und zur eigenen Weiterbildung.
Die Liste an Vorurteilen gegenüber spätgebärenden Frauen ist lang: Sie gehen in der Schwangerschaft ein höheres Risiko ein, verlieren dann den eigentlichen Bezug zum Kind, neigen dazu pedantisch in der Kindererziehung zu werden usw. Eine Studie aus Großbritannien zeigt nun erstaunliche Ergebnisse einer Langzeitstudie. Einbezogen wurden Säuglinge im Alter von neun Monaten, Dreijährige und fünfjährige Kinder. Analysiert wurden das Alter der Mutter bei der Geburt und die Entwicklung des Kindes. Betrachtet wurden dabei die Zahl von Unfällen, die Gewichtsentwicklung, der Impfschutz sowie auf die Entwicklung der Sprache und des Sozialverhaltens. Interessanterweise verbesserten sich alle Faktoren je älter die Mutter bei der Geburt war. LINK: http://www.bmj.com/content/345/bmj.e5116 Ist die Kritik an Spätgebärenden also unbegründet? Was ist Ihre Meinung zu diesem Thema und diesen Ergebnissen?
Auf dem Kongress der ESC wurden nun die neuen Leitlinien bei Vorhofflimmern vorgestellt. Es gibt Neuerungen im Bereich der Antikoagulation. Im Endeffekt müssen demnach nahezu alle Patienten mit VHF antikoaguliert werden. Zur Abschätzung soll der CHA2DS2-VASc-Score herangezogen werden. Dabei gilt die Regel: bei einem Score von 2 oder höher ist eine orale Antikoagulation - sei es mit einem Vitamin-K-Antagonisten (VKA) oder einem neuen oralen Antikoagulans (NOAC) - zwingend erforderlich.
Jemand, der sich schon einmal mit diesem Score auseinander gesetzt hat, sollte wissen, dass bereits das Geschlecht Frau einen Punkt ergibt. De facto gilt also die Angabe: Eine Frau mit VHF (über 65 Jahren) muss also nach diesen neuen Richtlinien antikoaguliert werden.
Könnte es sein, dass diese Empfehlung noch nicht einmal im Ansatz umgesetzt werden wird? Liebe Kollegen, scheuen sie sich auch vor dem Thema der Antikoagulation? Oder finden sie das Thema seit Einführung der neuen oralen Antikoagulantien aufgrund der besseren Steuerbarkeit leichter zu handeln?
Hier noch die Publikation:
http://eurheartj.oxfordjournals.org/content/early/2012/08/24/eurheartj.ehs253.full.pdf+html
Eine neue Studie von einer Gruppe Wissenschaftler um Helen Vlassara der Mount Sinai School of Medicine in New York zeigt im Mausmodell, dass Methylglyoxal Diabetes und Übergewicht begünstigen kann. Dieser Vertreter der sogenannten Advanced Glycation Endproducts (AGE) entstammt vor allem gegrillten oder gebratenen tierischen Produkten. Durch die Hemmung von SIRT-1, ein im Fettgewebe gebildetes Protein, welches das Immunsystem unterstützt und einen Einfluss auf den Glucose- und Insulinstoffwechsel hat, wirkt es schädlich auf den Organsimus. Noch steht aus, ob dieser Mechanismus direkt auf den Menschen übertragbar ist, die Analogie liegt aber nahe.
Was halten Sie von solchen Studien? Nehmen Sie ähnliche neue Erkenntnisse auch für sich persönlich ernst und strukturieren Ihren Ernährungsplan um?
Stammzelltherapie als Zukunftsmusik? Nicht in einer Bonner Privatklinik! Dort werden Patienten mit ihren eigenen Stammzellen behandelt. Für diese Therapie wird dann erstmal richtig abkassiert: um 16.000 € wird der Kranke erleichtert. Dabei ist diese Methode noch nicht einmal richtig erprobt, Erfolge werden wenn dann nur kurz erzielt.
Unfassbar finde ich, dass so etwas in Deutschland tatsächlich einfach so möglich ist. Wie kann es denn bitte sein, dass so etwas wie Stammzelltherapie (als völlig innovative Therapiemöglichkeit) ohne klinische Prüfung in den Klinikalltag aufgenommen werden kann?! Hier gerne nochmal etwas ausführlicher zum Nachlesen:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/stammzelltherapie-privatklinik-behandelt-weiter-a-851887.html
Die Debatte um das Betreuungsgeld läuft nun schon eine ganze Weile. Aus der CDU kommt nun der Vorschlag diese Geldleistung an die Vorsorgeuntersuchungen zu binden. Ich frage mich nun, ob das ein sinnvoller Gedanke ist. Soll damit erreicht werden, dass mehr Kinder zur U kommen oder soll der Kinderarzt so zum Wächter über die Erziehung der "zu Hause gelassenen" Kinder ernannt werden? Liebe Kollegen, was halten sie davon das Betreuungsgeld an die Bedingung der U-Untersuchungen zu knüpfen? Und ist das Betreuungsgeld aus der Sicht eines Kinderarztes grundlegend vertretbar?
In Aachen startet jetzt ein Pilotprojekt, das sogenannte Telemedizinische Rettungsassistenzsystem (TemRas). In Deutschland wird in letzten Jahren immer häufiger die Notrufnummer gewählt. Daraus ergibt sich eine starke Überbelastung der Notärzte, besonders in ländlichen Gebieten.
Das Konzept von TemRas ist Folgendes: Der Notarzt fährt nicht mit zu den Einsätzen, sondern sitzt in einer Zentrale und koordiniert von dort über den Bildschirm seine Patienten. Die Versorgung könnte so effektiver und schneller funktionieren. Es bleibt dennoch eine Herausforderung über eine solche Distanz zu behandeln und schnell die richtigen Entscheidungen zu treffen. Gerade die Kommunikation mit den Rettungsassistenten muss dann fehlerfrei funktionieren. Die Entlastung des Notarztes steht hier außer Frage. Aber was sagt eigentlich der Patient, wenn er vor Ort den Arzt gar nicht mehr zu Gesicht bekommt? Und was wenn die Technik einmal versagt und der Rettungsassistent plötzlich auf sich allein gestellt ist? Die Telemedizin in der Notfallmedizin - ein Erfolgskonzept?
Liebe Kollegen, was halten Sie von diesem Experiment?
Auf dem Jahreskongress der ESC stellten griechische Wissenschaftler jetzt brisante Daten über die E-Zigarette vor. Die Gruppe um Dr. Konstantinos Farsalinos untersuchten echokardiografisch die Effekte auf die Herzfunktion von herkömmlichen Zigaretten und E-Zigaretten. Dabei haben sich bei den Rauchern subklinische Störungen der diastolischen Herzfunktion gezeigt, nicht jedoch bei E-Zigaretten-Konsumenten. Bei den Zigarettenrauchern stieg zudem der Blutdruck um 8 Prozent systolisch und 6 Prozent diastolisch sowie die Pulsfrequenz um 10 Prozent. Nach Konsum von Nikotin aus E-Zigaretten sei nur der diastolische Druck um 4 Prozent angestiegen. Zudem ist insgesamt mit einer geringeren Schadwirkung zu rechnen, da unter anderem signifikant geringere Werte (Faktor 500-1500 niedriger) von Nitrosaminen bei E-Zigarette gefunden werden konnten.
Die Meinungen über die E-Zigarette gehen verständlicherweise auseinander. Diese Ergebnisse unterstützen aber eindeutig die Befürworter. Liebe Kollegen, was halten sie von diesen Daten und ziehen sie die E-Zigarette als Hilfe zur Raucherentwöhnung in Betracht?
Die European Medical School (EMS), ein gemeinsames Projekt der Universitäten Oldenburg und Groningen (Niederlande), erwartet die ersten Medizinstudenten in einem grenzübergreifenden Medizinstudiengang. Insgesamt soll an der EMS im Bachelor-/Master-System studiert werden, wobei die Abschlüsse dann doch unterschiedlich sind.
In den Niederlanden werden Studenten den Bachelor-Abschluss und schließlich den auf europäischer Ebene anerkannten "Master in Geneeskunde" machen können. In Deutschland hingegen wird das Studium weiterhin mit dem Staatsexamen abgeschlossen werden.
Halten Sie die offensichtlichen Vorbehalte Deutschlands gegenüber einem Masterabschluss in Medizin für gerechtfertigt oder sind Sie eher der Meinung, dass der Master eine sinnvolle Neuerung ist, gerade um die Abschlüsse verschiedenster Universitäten Europas vergleichbar zu machen und ein europaweites Studium zu erleichtern?
Die Ärztezeitung berichtete kürzlich, dass erstmals spanische Ärzte nach Sachsen gelotst wurden, um dort Praxen zu übernehmen, die altersbedingt aufgegeben werden mussten und für die sich trotz längerer Suche kein Nachfolger fand. Es handelt sich dabei um einen Modellversuch, voraussichtlich werden also noch mehr spanische Mediziner nach Deutschland übersiedeln.
Halten Sie das für eine tolle Idee, um die Grundversorgung in Deutschland sicherzustellen oder sollten Ihrer Meinung nach einfach die Anreize solche Praxen zu übernehmen vergrößert werden, um mehr deutsche Kollegen dazu zu animieren diese weiterzuführen?
In der Diagnostik von Epilepsien beziehungsweise Krampfanfällen spielt das EEG immer noch eine entscheidende Rolle. Die meisten Patienten, welche nach einem ersten Krampfanfall in die Klinik kommen, erhalten ein EEG (Elektroencephalogramm). Dies ist in den allermeisten Fällen mit maximal 32 Kanälen ausgerüstet.
Wissenschaftler der Mayo-Clinic und der Universität in Minnesota haben nun versucht mit einer Erhöhung der Dichte der EEG-Elektroden eine höhere Sensitivität hinsichtlich epileptogener Foci zu erreichen. Dazu verwendeten Sie anstatt der 32 Elektroden EEG-Apparatur mit 76 Kanälen – mehr als doppelt so viel.
An 28 Patienten mit Krampfanfällen unterschiedlicher Art und Dauer (einfach fokal, komplex fokal und sekundär generalisierend) wurde diese neue Technik angewandt. Nach Auswertung der Ergebnisse des high-densitiy-EEG zeigte sich eine sehr hohe Sensivität hinsichtlich der Identifizierung des entsprechenden Herdes. So konnten die Forscher in den meisten Fällen eine Mitbeteiligung des Frontallappens identifizieren. Die höhere Dichte der Elektroden könnte vor allem in der Verhinderung falscher Schlüsse durch unzureichend genaue Herdidentifizerung im Standard-EEG hilfreich sein.
Das Abstract der in brain veröffentlichten Studie können Sie hier lesen:
http://brain.oxfordjournals.org/content/early/2012/08/24/brain.aws221.abstract
Halten Sie diese Neuentwicklung der Epilepsiediagnostik für erforderlich und sinnvol? Was denken Sie hinsichtlich der Entwicklung neuer hochsensitiver Geräte? Besteht die Gefahr einer Übersensitivierung?
Eine Berner Forschungsgruppe hat eine prospektive multizentrische Studie im JAMA veröffentlicht. Es wurden 1100 Patientin registriert und beobachtet, die eine Behandlung mit einem Koronarstent, der ein Immunsuppressivum freigibt (sog. Drug-Eluting-Stent, DES), erfahren haben. Neu ist an diesen Stents, dass der Wirkstoff Biolimus (statt wie bisher Sirolimus oder Paclitaxel) verwendet wurde [Effect of biolimus-eluting stents with biodegradable polymer vs bare-metal stents on cardiovascular events among patients with acute myocardial infarction: the COMFORTABLE AMI randomized trial. Räber L, Kelbæk H, Ostoijc M et al. JAMA. 2012 Aug 22;308(8):777-87.].
Die Studie konnte zeigen, dass durch die Drug-Eluting-Stents die Restenose-Raten um 50% reduziert werden konnte (im Vgl. zu unbeschichteten Metallstents, sog. bare-metal-stents, BMS). Ebenso treten In-Stent-Thrombosen deutlich weniger auf. Dieses Ergebnis repräsentiert die Wirkung der Drug-Eluting-Stents gegenüber Bare-Metal-Stents an sich; ist aber noch kein wirklicher Vorteil gegenüber anderen DES. Diesbezüglich, so die Berner Autoren, sei vor allem das deutlich bessere Nebenwirkungsprofil des neuen Stents mit Biolimus entscheidend.
Im Hinblick auf die Diskussion Stent vs. Bypass könnte diese Studie ein weiterer Schritt in die Etablierung und Indikationserweiterung der Stentimplantation sein (stellenweise werden ja bereits heute in Zentren 3-Gefäß-KHK gestentet).
Wie sehen Sie die Entwicklung der Debatte Koronarstent vs. Bypass-Operation? Wird die klassische Bypassoperation langfristig nahezu vollständig von Stentimplantationen abgelöst?
Forscher um die Arbeitsgruppe von David Spence in Kanada haben unlängst eine Studie in Artherosclerosis veröffentlicht, in welcher sie unter anderem Ernährungs- und Konsumgewohnheiten registrierten und im langfristigen Follow-Up das kardiovaskuläre Outcome untersuchten.
Eingeschlossen waren gut 1250 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 61,5 Jahren. Das Outcome wurde mittels FKDS (farbkodierte Duplexsonographie) der Carotiden gemessen – hier wurden die Ausmaße der artherosklerotischen Plaques registriert [Spence JD, Jenkins DJA, and Davignon J. Egg yolk consumption and carotid plaque. Atherosclerosis 2012; DOI:10.1016/j.atherosclerosis.2012.07.032.].
Die Forscher fanden heraus, dass die Plaquegröße im Alter zunimmt, sowie mit der Anzahl an Packyears (gerauchte Zigarettenpackungen und Dauer des Konsums in Jahren) und dem Konsum von Eiern (voll, inkl. Eigelb) korreliert. Letztere Korrelation blieb auch nach Bereinigung anderer kardiovaskulärer Risikofaktoren signifikant bestehen.
Vor dem Hintergrund, dass ein Ei 220mg bis 280mg Cholesterol enthält – mehr als die empfohlene Grenze der American-Heart-Association von 200mg bzw. im Bereich der empfohlenen Obergrenze von 250mg der Deutschen Herzstiftung – scheint das keine besonders große Überraschung zu sein. Nichtsdestotrotz spielen Nahrungsmittelindustrie und auch renommierte Forschergruppen (welche teilweise Fördergelder der Nahrungsmittelindustrie erhalten) die Ergebnisse herunter und behaupten, die Studie sei schlecht durchgeführt.
Uns ist im Allgemeinen das erhöhte kardiovaskuläre Risiko durch hohe Cholesterolwerte im Serum bekannt – doch scheint der Eindruck zu bestehen, dass der Einfluss gewisser Nahrungsmittel darauf in Frage gestellt bzw. heruntergespielt wird. So ist zum Beispiel auf der Homepage des Bundesverband Deutsches Ei e.v. zu lesen: "Täglich ein Ei und sonntags auch mal zwei!" hat deutliche Vorteile für eine gesunde Ernährung. Das ist das Fazit einer britischen Studie. So kommen die Forscher unter anderem zu dem Schluss, dass der Cholesterin-Mythos um Eier überholt ist und die positiven ernährungsphysiologischen Eigenschaften überwiegen.*". (Anm.: Hier wird eine von der Nahrungsmittelindustrie geförderte Studie zitiert [CHS Ruxton, E Derbyshire, S Gibson (2010), "The Nutritional Properties and Health Benefits of Eggs", Nutrition & Food Science Journal, Vol. 40, No. 3, pp. 263 – 279.]). Weiterhin ist dort klar die Empfehlung zu lesen, täglich ein Ei zu konsumieren, dies sei gut für die menschliche Gesundheit. (Quelle: www.deutsche-eier.info).
Wie ist Ihre Meinung bezüglich des Verhaltens / der Aussagen der Nahrungsmittelindustrie? Was empfehlen Sie aktuell Ihren Patienten mit kardiovaskulärem Risiko? Denken Sie, der Einfluss der Nahrungsmittelindustrie in Deutschland ist relevant?
Sehr geehrte Kollegen,
mich betraf neulich in meinem Praxisalltag ein Fall, in welchem eine junge Patientin (35J.) mich aufsuchte und mir berichtete, sie leide seit mehreren Monaten unter mittelstark bis starken Kopfschmerzen.
Sie sei schon bei diversen ärztlichen Kollegen vorstellig gewesen – es sei ebenfalls umfangreiche Diagnostik gelaufen (u.a. cMRT), alles laut der Patientin ergebnislos. Das einzige, was ihr helfe, seien Tramaltropfen. Auf die Nachfrage, wieso sie denn nicht zu ihrem eigentlich behandelnden Kollegen gegangen sei, antwortete sie barsch, dort hätte sie keinen Termin bekommen und ihre Tochter habe die Flasche Tramal in die Toilette gekippt und sie brauche jetzt neue Tropfen, sonst könne sie den Schmerz nicht mehr aushalten.
Ich habe ihr erklärt, dass ich, ohne Befunde mit Ausschluss anderer Ursachen nicht so einfach Tramadol verschreiben könne und habe vorsichtig versucht ihr zu erläutern, dass ich mit ihr zusammen gerne dem Grund für die Beschwerden herausfinden möchte und dazu z.b. noch gerne einen Kollegen hinzuziehen würde. Dies stieß, gelinde formuliert, auf wenig Akzeptanz, im Gegenteil – sie forderte mich auf das Tramal zu verschreiben, sonst würde sie gehen und eben "einen kompetenteren Arzt aufsuchen". Das tat ich dann aber aus o.g. Grund nicht, suchte noch einmal das Gespräch, aber sie verließ wutschnaubend das Patientenzimmer.
Ich bin jetzt etwas ratlos, ob meine Reaktionen richtig waren bzw. ob ich etwas anders hätte machen können, um dort eventuell tiefer in die Materie einzudringen und die wirklichen Beschwerden und Ursachen zu identifizieren. Insgesamt wirkte alles auf mich sehr suspekt in Richtung einer psychiatrischen Komponente – sie schien nur darauf aus, das Analgetikum zu bekommen, war an allem anderen desinteressiert. Ich dachte längerfristig daher auch an die Konsultation eines psychiatrisch-psychosomatischen Kollegen. Aber dazu ist es ja nun nicht gekommen.
Haben Sie schon öfters derartige Erfahrungen gemacht? Haben Sie Bauchschmerzen, die Leute gehen zu lassen?
Autismus bzw. autistische Störungen sind eine bekannte Erkrankungsgruppe; die Diagnose erfolgt derzeit leider spät und oft bleiben die dadurch spät begonnenen Therapien von mäßigem Erfolg ekrönt. Abhilfe schaffen könnte eine frühzeitige Diagnose gefährdeter Kinder; hier sind sich Experten einig. In diesem Bestreben hat eine Arbeitsgruppe nun einen Fragebogen, den sogenannten "First Year Inventory" evaluiert und auf die Fähigkeit hin untersucht, Kinder zu identifizieren, die ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer autistischen Störung haben (Abstract: http://aut.sagepub.com/content/early/2012/07/04/1362361312439633.abstract ).
Die Studie sah vor, dass Eltern der Kinder im Patientenkollektiv im Alter von 12 Monaten einen Fragebogen beantworteten. Im Alter von drei Jahren folgte dann ein weiterer Fragebogen zur Follow-Up Untersuchung. Bei 31% der durch den Fragebogen identifizierten Kinder mit erhöhtem Risiko einer autistischen Störung konnte diese Erkrankung im Alter von 3 Jahren diagnostiziert werden – in 85% der identifizierten Kinder fand sich eine Entwicklungsverzögerung oder – Störung. Der Vorteil dieses Fragebogens ist, so die Autoren der Studie, dass er sich durch Einbeziehung sensomotorischer Komponenten nicht allein auf soziale Defizite und Interaktionsstörungen beschränkt, und somit ein breiteres Spektrum der Symptome des autistischen Formenkreises abdeckt.
Halten Sie einen standardisierten Fragebogen, zum Beispiel zur Mitgabe an die Eltern bei der U6, für sinnvoll? Ist das Thema Autismus Ihrer Ansicht nach ausreichend präsent im kinderärztlichen Versorgungsbereich?
Die Geschichte von Latrepirdin beginnt bereits in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts, als dieser Wirkstoff in der damaligen Sowjetunion als Antihistaminikum auf den Markt kam. Eine dortige Forschungsgruppe konnte um 1990 herum in Tierversuchen Anhalte dafür finden, dass Symptome des Morbus Alzheimer gelindert werden. Dies blieb von der Fachwelt aber längere Zeit unbeachtet. Der zunehmende Forschungsdruck hinsichtlich neurodegenerativer Erkrankungen führte dann zu u.a. in den USA durchgeführten Phase-3 Studien. Deren hoffnungsvoll erwarteten Ergebnisse waren aber leider enttäuschend und konnten keinen Anhalt für einen Effekt bei menschlichen Patienten mit Morbus Alzheimer bzw. Chorea Huntington erzielen (CONNECTION-Trial sowie HORIZON-Trial).
Im Bestreben eine Erklärung für die positiven Ergebnisse im Tierversuch zu finden beschäftigte sich jetzt eine Forschungsgruppe mit den zellulären Effekten dieses Wirkstoffs. In der aktuell veröffentlichten Studie http://www.nature.com/mp/journal/vaop/ncurrent/full/mp2012106a.html
konnte neben einem kognitiven Benefit der behandelten Mäuse gezeigt werden, dass Latrepirdin die Autophagie, also die intrazelluläre Prozessierung und Ausscheidung von Amyloid der Nervenzellen, erhöht. Vor dem Hintergrund der bekannten erhöhten neuronalen Amyloidablagerung als Ursache der klinischen Symptomatik scheint dies eine plausible Erklärung für die positiven Wirkungen zu sein. Allerdings betrachtet die Fachwelt diesen Wirkstoff weiterhin kritisch und ist sich unsicher, ob die aktuellen Studienergebnisse zu einer Wiederaufnahme bzw. Intensivierung der Forschung führen sollten. Die Autoren der Studie diskutieren die bislang negativen Ergebnisse in den o.g. Phase-3-Studien mit zu geringen Wirkspiegeln bzw. noch zu niedriger Effektivität des verwendeten Wirkstoffs im menschlichen Körper. Was denken Sie über die Ergebnisse? Sollte eine Intensivierung der Forschung erfolgen oder halten Sie dies für ungerechtfertigt, da es bereits Phase-3-Studien mit negativen Ergebnissen gibt?
Eine Studie der Universitätsklinik in Wien untersuchte die unterschiedliche Wahrnehmung bei Arthritis. Die Ergebnisse wurden unter dem Titel "Discrepancies between patients and physicians in the perception of rheumatoid arthritis disease activity" von Daniel Aletaha et al. in Arthritis & Rheumatism, doi: 10.1002/art.34543; 2012 publiziert.
Beim Patienten wird die Erkrankung zu 75% über den Schmerz definiert. Der Mediziner nimmt sie zu 60% über die Anzahl und die Ausprägung der Gelenkschwellungen wahr. Somit schätzt der Patient seinen Zustand aufgrund der Schmerzen oftmals viel schlechter ein. Es besteht jedoch nicht nur eine Diskrepanz in der Wahrnehmung der Erkrankung. Auch innerhalb der weiteren Therapieschritte bestehen unterschiedliche Erwartungen. Während der Arzt auch stark auf Spätfolgen achtet und somit Medikationsänderungen durchführt, kann der schmerzfreie Patient diese Entscheidung in diesem Moment nicht nachvollziehen.
Haben Sie schon ähnliche Beobachtungen gemacht und wie gehen Sie vor, um diese Diskrepanzen aus dem Weg zu räumen?